Zürcher Bezirksgericht: Alle Wege ohne Fahrverbot dürfen befahren werden
Zur Erinnerung: Für eine Sendung des Schweizer Fernsehens fuhr der Zürcher Mountainbiker Alec Wohlgroth fünf beliebte Singletrails am Zürcher Hausberg Uetliberg. Der Revierförster Willy Spörri zeigte die beiden daraufhin an, wegen Befahrens von Wegen, auf denen ein Fahrverbot gelte. Diesen Entscheid fochten die beiden an und bekamen vom Statthalteramt in drei von fünf Fällen recht. Auch gegen die reduzierte Busse rekurrierten die beiden und bekamen vom Bezirksgericht Affoltern am Albis auf der ganzen Linie recht. Es folgt der an sich nicht neuen Argumentation, dass die Biker selber aufgrund ihres Könnens und ihrer Ausrüstung entscheiden, welche Wege für sie zum Befahren geeignet sind.
Im Unterschied zur Vorinstanz hat das Gericht entschieden, dass selbst Wege mit Treppen als geeignet gelten können. Sie bezieht sich auf den schon viel diskutierten Artikel 43 des Schweizer Strassenverkehrsgesetzes: «Wege, die sich für den Verkehr mit Motorfahrzeugen oder Fahrrädern nicht eignen oder offensichtlich nicht dafür bestimmt sind, wie Fuss- und Wanderwege, dürfen mit solchen Fahrzeugen nicht befahren werden.» Dieser Artikel ist seit 1958 unverändert. Das Bezirksgericht hält in seinem schriftlichen Urteil dazu fest, das Eignung und Bestimmung unbestimmte Rechtsbegriffe seien, die eine Vielzahl von Interpretationen zuliessen. «So kann ein Weg für Mountainbiker mit guter Ausrüstung und langjähriger Erfahrung sehr wohl zum Befahren geeignet sein, für einen Anfänger wiederum klarerweise nicht. Für ein Mountainbike kann ein Weg geeignet sein, für ein einfaches Stadtvelo nicht. Somit ist die Einschätzung der Eignung des Weges zum Befahren den Fahrern selbst überlassen und variiert je nach Einzelfall stark.»
Interessant ist auch der Entscheid bezüglich des unter Bikern als «Bahnhof Trail» bekannten Wegs. Dieser ist auf der Karte der Landestopografie nicht mehr verzeichnet. Der Kläger bezeichnete ihn als Trampelpfad, auf dem ein Fahrverbot gelte. Der Weg ist auf älteren Karten noch eingezeichnet, es finden sich darauf an gewissen Stellen sogar noch rot-weiss-rote Wanderwegmarkierungen. Vor allem aber ist dieser Weg so deutlich als Weg erkennbar, dass er für das Bezirksgericht als solcher gilt und deshalb ebenfalls befahren werden darf. Die Zweitinstanz hat entschieden, dass Mountainbiker jeden Weg befahren dürfen, der nicht mit einem Fahrverbot signalisiert ist.
Das Urteil gilt für den Kanton Zürich und wohl auch darüber hinaus
Das ist zweifellos ein wegweisender Entscheid. Er stützt sich auf das Strassenverkehrsgesetz des Bundes, das Zürcher Waldgesetz und die Zürcher Waldverordnung. Deshalb können sich Biker im ganzen Kanton darauf berufen. Rechtsanwalt Martin Hablützel präzisiert: «Der Kanton Zürich hat im Waldgesetz etwa festgehalten, dass Trampelpfade nicht als Wege gelten. Ohne eine klare gesetzliche Regelung wären aber solche Bestimmungen unverbindlich. Denn es gilt der Grundsatz: keine Strafe ohne klare gesetzliche Vorschrift, wie das Urteil des Bezirksgericht Affoltern korrekt festhält.»
Das Urteil muss auch im Rest der Schweiz zumindest in Betracht gezogen werden, wie Hablützel weiter ausführt: «Die Biker in der ganzen Schweiz können sich auf dieses Urteil berufen, weil das Strassenverkehrsgesetz, auf welches sich der Freispruch stützt, Bundesrecht ist und im ganzen Land gilt. Die Kantone können aber generelle Fahrverbote für bestimmte Wege oder Strassen erlassen, oder den Gemeinden erlauben, solche zu erlassen, etwa in speziellen Landschafts- oder Tierschutzgebieten.
Das sind fürs erste Mal gute Nachrichten für die Mountainbiker im Kanton Zürich. Jene in anderen Kantonen können nun die bei ihnen geltenden kantonalen Gesetze mit jenen des Kantons Zürich vergleichen. Gleichen sie sich stark, hat die Argumentation des Bezirksgerichts Affoltern am Albis auch für sie Gewicht. Grün Stadt Zürich GSZ, die für die Zürcher Wälder zuständige städtische Behörde wollte auf Anfrage von Ride nicht Stellung nehmen, da es sich um ein laufendes Verfahren handle. Der Grund: Zwei Zürcher Gemeinderätinnen haben eine schriftliche Anfrage an den Stadtrat gestellt. Darin geht es ebenfalls um die Frage, wo am Uetliberg das Mountainbike fahren erlaubt ist und wo nicht. GSZ will sich erst nach der Antwort des Stadtrats dazu äussern. Diese wird Ende Januar erwartet.
Mit dem Urteil hat das Bezirksgericht Affoltern am Albis einen starken Pflock eingeschlagen für das Recht, bestehende Wege mit dem Mountainbike zu geniessen. Das Urteil ist rechtsgültig, es hat keine Einsprache dagegen gegeben. Trotzdem ist zum Thema Singletrails das letzte Wort wohl noch nicht gesprochen.