Der Mountainbiker ist nicht der Tourismus-Heiland!
Mountainbiker sind ein Segen für den serbelnden Alpentourismus. Wenn die Wintersportler ausbleiben, füllen sie das finanzielle Loch und die leeren Betten. So denken und hoffen viele. Dabei wäre es eine Milchbüchleinrechnung, dies zu widerlegen. Im Winter sind an guten Tagen in grösseren Skigebieten teilweise über 10‘000 Personen auf dem Berg. Man stelle sich nun vor, in einer Region wie Zermatt seien an einem Tag 10‘000 Mountainbiker unterwegs. Der Kollaps wäre programmiert. Nur schon vor diesem Hintergrund ist es abwegig, die Mountainbiker mit dem Wintertourismus gleichzusetzen. Ein limitierender Faktor sind auch die Bergbahnen. Ein Mountainbiker braucht wegen seinem Gefährt etwa fünfmal so viel Platz wie ein Skifahrer. Bergbahnen müssten demnach ihre Transport-Kapazitäten im Sommer vervielfachen, um mit den Dimensionen aus dem Winter mithalten zu können. Man braucht kein Tourismusexperte zu sein, um diese Vorgabe als Illusion zu entlarven.
Der Bergtourismus hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Massengeschäft mit enormen Infrastrukturkosten entwickelt. Masse statt Klasse, Hauptsache die Kasse klingelt. Nun kommt dieses System ins Wanken, und statt aus den Fehlern zu lernen, überträgt man diese auf den Mountainbike-Tourismus. Ein Symbol dafür sind die Flowtrails und Pumptracks, die überall in gleicher Bauweise aus dem Boden schiessen. Austauschbarer Fun statt einzigartige Erlebnisse. Man ist im Mountainbike-Tourismus auf bestem Weg, die Fehler aus dem Winter unreflektiert zu wiederholen.
Mountainbiker tun gut daran, sich nicht als Heiland für den serbelnden Alpentourismus zu sehen. Sie sind kein Mittel, um die überdimensionierten Infrastrukturen aus dem Winter am Leben zu halten. Sie sind aber eine Chance für einen nachhaltigeren Tourismus. Für Klasse statt Masse. Mountainbiker sollten sich nicht mit den Ellen aus dem Wintersport messen. Denn diese Ellen werden wohl bald schon kein Massstab mehr sein.
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