Liebe Trail-Bauer, wieso immer nur diese Flow-Autobahnen?
Aktuell schiessen neue Bike-Trails wie Pilze aus dem Boden. Es gibt kaum noch eine Region, die sich nicht mit mindestens einer Mountainbike-Strecke brüstet. Statt Freude über das zusätzliche Angebot erwirken diese Neuigkeiten bei vielen Mountainbikern aber bloss noch ein ernüchtertes Gähnen. Denn weitgehend alles, was heute zwischen Graz und Grenoble für Mountainbiker ins Gelände gezaubert wird, sind immergleiche Flow-Trails: 1.5 Meter breit, eine Anliegerkurve nach der anderen, dazwischen immer wieder mal ein Sprung oder eine Holzkonstruktion. Es scheint, als habe jemand eine Zauberformel für Bike-Trails entwickelt, die nun flächendeckend Anwendung findet.
Bloss ist die Zauberformel ziemlich einseitig: Mit ihr lassen sich Mountainbike-Trails mit geringst möglichem Aufwand bewilligen, finanzieren und bauen. Mit den Bedürfnissen der Mountainbiker hat der Flow-Trail-Zauber aber nicht viel zu tun. Diese wollen nicht auf den immergleichen Murmelbahnen irgendwo den Berg runter fahren. Das Gros der Mountainbiker sucht die Freiheit in der Natur. Die Nähe zur Natur. Den Reiz in der Abwechslung. Die fahrtechnische Herausforderung. Die gelegentliche Überforderung. Sprich: das echte Bergerlebnis. Doch was graben die Trail-Bauer in der Regel ins Gelände: abgesicherte und ausplanierte Trail-Autobahnen. Und das von Finale bis Frankfurt.
Mountainbiken lebt von der Überraschung
Hinter diesen Bike-Trails steht die Vorstellung, dass auf solchen Strecken alles abgesichert und vorhersehbar sein soll. Neudeutsch heisst dies «convenient». Die Ernährung, das Reisen, die Bildung, die Medien sogar unsere Beziehungen sind heute «convenient»: bequem, kontrolliert, vorhersehbar. Mit dem Mountainbike wollen wir aber aus dieser Komfortzone ausbrechen. Deshalb darf eine Mountainbike-Route auch mal eine unfahrbare Stelle enthalten, eine langweilige Flachpassage, ein kräfteraubender Gegenanstieg oder eine unerwartete Serpentine. Mountainbiken lebt von der Überraschung. Das hat man beim Trail-Bau vergessen.
Das grosse Ding unter den Mountainbikern sind denn auch nicht die Flow-Trails, sondern die «Natur-Trails». Der Begriff ist abgedroschen, doch wenigstens ist allseits klar, was gemeint ist: solide gebaute Pfade, wie man sie weit vor dem Aufkommen der Mountainbiker bereits gebaut hat. Man nennt sie Wanderwege, Singletrails, Natur-Trails oder wie auch immer. Diese Pfade haben den Mountainbikesport überhaupt so populär gemacht. Die Trail-Bauer wissen eigentlich um die Popularität dieser «Natur-Trails». Doch die Anzahl solcher Routen, die in den letzten Jahren für Mountainbiker erstellt wurden, können an einer Hand abgezählt werden. Dabei würde hier ein enormes Potenzial liegen: eine Region, die Mountainbike-Pfade und keine Trail-Autobahnen baut.
Doch es kommt wie das Amen in der Kirche: Die nächste Trail-Ankündigung wird einer weiteren Murmelbahn gelten. Auf die niemand gewartet hat.
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