Was macht eine gute Mountainbike-Tour aus?
Es ist bestimmt zehn Jahre her, als ich an einem Sommersonntag in der Ostschweiz auf einer beschilderten Mountainbike-Route unterwegs war. Auf einem steilen Schottersträsschen ging es den Wald hoch. An einer unscheinbaren Kreuzung war der höchste Punkt erreicht, es folgte die Abfahrt – ebenfalls auf einem Strässchen. Das wiederholte sich dann einige Male. Behörden waren überzeugt, mit dieser beschilderten Tour Mountainbiker ansprechen zu können. Ich gehörte jedenfalls nicht zu diesen. Enttäuscht kehrte ich von der Tour zurück und begann, mich ernsthaft mit der Frage zu beschäftigten, was eigentlich eine attraktive Mountainbike-Tour ausmacht. Unterdessen ist diese Frage zum zentralen Element meiner Berufstätigkeit als Tourenautor bei Ride Magazin geworden.
Nach zehn Jahren bin ich in dieser Sache eine Spur schlauer. Ich habe mir ein kleines Regelwerk zurechtgelegt, wann eine Mountainbike-Tour auf grosses Interesse stösst. Regel 1 auf dieser Liste: Damit eine Bike-Tour erfolgreich wird, muss sie auf eine Art und Weise einzigartig sein, sie braucht einen Charakter. Die Tour in der Ostschweiz hatte keinen, sie war eine Abfolge banaler Wegstücke. Den Charakter einer Tour können viele Elemente ausmachen: ein Gipfel, eine Umrundung, eine spezielle Abfahrt, ein aussergewöhnlicher Gasthof oder auch mal einfach eine gute Story.
Nur mit Charakter ist es aber nicht getan. Jetzt kommt Regel 2: Eine zentrale Zutat für eine attraktive Mountainbike-Tour ist das Erlebnis. Kein Mountainbiker schwingt sich aufs Rad bloss dem Selbstzweck wegen. Was am Ende des Tages zählt, ist das Erlebnis. Das Naturerlebnis. Das Trail-Erlebnis. Das kulinarische Erlebnis. Am besten gleich in Kombination.
Damit sind wir bei Regel 3: Zentral ist ein anständiger Singletrail-Anteil. Ohne sie wird eine Tour nie relevant, das hat die Erfahrung gezeigt. Eine Tour ohne Singletrails ist für das Gros der Mountainbiker belanglos. Die Zeiten sind längst vorbei, als man Biker auf eine Alp hoch schicken konnte und sie in der Folge die gleiche Schotterstrasse wieder hinabfahren liess. Heute lassen sich Mountainbiker nicht mehr mit halbherzigen Touren abspeisen.
Damit eine Tour in Ride vorgestellt wird, muss sie all diese Regeln erfüllen. Niemand abonniert ein Mountainbike-Magazin, das Touren vorstellt, die ihm nicht passen. Deshalb wird man in Ride nie eine Schottersträsschentour finden. Die Leserzahlen bestätigen, dass wir nicht ganz falsch liegen mit dieser Strategie. Anders sehen es bis heute viele Behörden und Tourimusorganisationen. Hier wird das gemacht, was möglich und nicht das, was gefragt ist. Vom Jäger über den Landwirt bis zu den Vertretern von Umweltverbänden müssen bei Mountainbike-Angeboten allesamt zufrieden sein bis der Kompromiss das Produkt zur Belanglosigkeit werden lässt. Alle sind zufrieden – nur der angesprochene Nutzer nicht. Die Frage nach den Faktoren für eine gute Mountainbike-Tour wird nicht gestellt. Deshalb entstehen dann Routen wie jene in der Ostschweiz, von der ich ernüchtert zurückgekehrt bin. Die Route gibt es bis heute als offizielle und beschilderte Mountainbike-Tour. Wahrscheinlich kaum je beachtet geschweige denn befahren von Mountainbikern. Schade. Es hätten nur drei Regeln beachtet werden müssen.
Die drei Zutaten für eine gute Mountainbike-Tour
- Charakter: Die Tour braucht Charakter (Gipfel, Umrundung, Abfahrt, Story,…)
- Erlebnis: Man muss etwas erleben (Natur, Trail, Kulinarik,…).
- Singletrail: Je mehr Singletrails desto interessanter.
Das Erfolgsgeheimnis der meistbetrachteten Touren auf Ride.ch
Alps Epic Trail Davos
Der «Alps Epic Trail Davos» hat sich zu einer eigenständigen Marke entwickelt. Das starke Marketing wäre aber nicht so erfolgreich, wäre das Produkt nicht stimmig. Hier steht das Trail-Erlebnis im Vordergrund. Die Tour besteht aus einem sehr langen, gut unterhaltenen und flüssig zu fahrenden Trail.
www.ride.ch/touren/alps-epic-trail-davos
Stockalperweg
Auch Geschichte kann attraktiv sind. Der Stockalperweg ist gutes «Storytelling» kombiniert mit viel Abwechslung: Postautofahrt, unterschiedliche Singletrails, Bunkeranlagen und Schluchten machen die Tour einzigartig. Die Tour besteht ausschliesslich aus Singletrails.
www.ride.ch/touren/stockalperweg
Albula Haute Route
Mountainbiker suchen verstärkt abgelegene und wenig bekannte Regionen. Das Albulatal ist dafür nahezu prädestiniert. Auch hier: Ohne hohen Singletrail-Anteil funktionierts nicht. Die müssen aber nicht immer sandalentauglichen Flow vorweisen sondern dürfen auch mal etwas knackiger sein – wie auf der Albula Haute Route.
www.ride.ch/touren/albula-haute-route
Rheinschlucht Supertour
Die Rheinschlucht bei Flims ist eines der eindrücklichsten Naturschauspiele der Schweiz und wird auch als Grand Canyon der Schweiz bezeichnet. Das Naturerlebnis steht auf dieser Tour im Vordergrund. Aber auch hier: Ohne einen hohen Singletrail-Anteil würde es die Route nicht in die Bestenliste schaffen. Relevant ist in diesem Fall die gute Anbindung an den Öffentlichen Verkehr für die Rückfahrt mit der Bahn oder dem Postauto.
www.ride.ch/touren/rheinschlucht-supertour
Pischa
Die Pischa-Tour in Davos besteht zu 100 Prozent aus Singletrails, die sehr gut unterhalten und extra für Mountainbiker hergerichtet wurden. Die Route ist das Musterbeispiel, wie aus einer unscheinbaren Route mit durchschnittlichem Naturerlebnis alleine durch den Wegunterhalt ein Highlight kreiert werden konnte.
www.ride.ch/touren/pischa