Nein, Bier ist nicht isotonisch – ausser es ist alkoholfrei | Ride MTB

Nein, Bier ist nicht isotonisch – ausser es ist alkoholfrei

Alkoholfreies Bier isotonisch

Seit Jahren macht die Aussage unter Sporttreibenden die Runde, Bier sei isotonisch. Inzwischen schreibt eine grosse Schweizer Brauerei «isotonisch» sogar auf die Dosen ihres alkoholfreien Hopfengetränks. Ernährungswissenschaftler Samuel Mettler erklärt, was stimmt und worauf es bei Sportgetränken ankommt.

«Isotonisch» ist seit Jahrzehnten eine Qualität, mit der gewisse Sportgetränke für sich werben. Was hat es damit auf sich?

Es geht allein um die Anzahl gelöster Teilchen in einem Getränk. Die Konzentration eines Getränks wird in der Einheit Osmolarität – mosmol pro Liter – oder Osmolalität – mosmol pro Kilogramm – gemessen. Der Wert gibt an, wie viele Teilchen pro Kilogramm, beziehungsweise pro Liter gelöst sind. Es spielt dabei keine Rolle wie gross ein Teilchen ist. Isotonisch bedeutet nun, dass die Menge gelöster Teilchen ungefähr derjenigen des Blutes entspricht.

Isotonische Getränke, also solche, die die gleiche Konzentration haben wie Blut soll der Körper schneller aufnehmen können, was beim Sport ein Vorteil sei. Ist das ihre zentrale Qualität?

Grundsätzlich kann man sagen, dass reines Wasser am schnellsten durch den Magen durchgeht. Je mehr gelöste Teilchen im Wasser vorhanden sind, desto langsamer geht die Flüssigkeit durch den Magen und desto langsamer wird sie grundsätzlich in den Körper aufgenommen. Bis zu einer ungefähr isotonischen Konzentration sind die Effekte gering und vermutlich nicht sehr relevant für die Praxis. Es ist aber tatsächlich so, dass hypotone Getränke, das heisst Getränke mit einer Osmolarität unter 260 mosmol pro Liter, effektiv etwas schneller absorbiert werden als isotonische Getränke. Hypertone Getränke werden dann zunehmend und relevant langsamer aufgenommen und die Wahrscheinlichkeit für Verträglichkeitsprobleme steigt an, insbesondere wenn die Osmolarität über 400 ansteigt.

Welche Konzentration gilt als isotonisch, und welche Bandbreite darf von Gesetzes wegen als isotonisch beworben werden?

Gemäss Gesetz dürfen Getränke als isotonisch bezeichnet werden, wenn sie eine Osmolarität von 260 bis 300 mosmol pro Liter aufweisen, was im Bereich der Blutkonzentration liegt, wobei diese gesetzliche Toleranz sinnvoll und aus biologischer Sicht auch nicht relevant erscheint.

Und damit zur Ausgangsfrage, ist Bier isotonisch?

Nein. Normales Bier ist bei weitem nicht isotonisch. Das liegt vor allem am Alkohol, welcher die Osmolarität extrem hochtreibt. Die Osmolarität von Bier liegt um die 1000 mosmol pro Liter. Alkoholhaltige Getränke sind aber nicht primär wegen der hohen Osmolarität nicht empfehlenswert, sondern wegen des Alkoholgehalts selber, welcher sich negativ auf Leistung und Erholung von Sportlern auswirkt. Da gibt es nichts schönzureden.

Wie sieht es beim alkoholfreien Bier aus?

Wenn der Alkohol entfernt wird, ist Bier natürlicherweise ungefähr im isotonischen Bereich.

Viele Sportgetränke, auch solche, die sich als isotonisch bezeichnen, sind stark gesüsst. Wie gesund und sinnvoll sind sie für Sportler?

Die entscheidende Frage ist, ob ein hoher Kohlenhydratbedarf besteht oder nicht. Wenn ich primär geschwitzt habe, zum Beispiel weil es heiss war, ich aber gar nicht so intensiv trainiert habe, dann ist eine hohe Zufuhr flüssiger Kohlenhydrate vermutlich weder nötig noch sinnvoll. Wenn der Kohlenhydrat- und Energiebedarf wegen der grossen sportlichen Leistung aber sehr hoch ist, dann können zuckerhaltige Getränke, was Sportgetränke de facto sind, sehr wertvolle und sinnvolle Energielieferanten darstellen.

Was ist gesünder nach dem Sport: ein alkoholfreies Bier (0,0 Prozent) oder ein süsses Sportgetränk?

Alkoholfreies Bier ist ein Getränk, das Wasser und Kohlenhydrate liefert, jedoch weniger als ein durchschnittliches Sportgetränk. Alkoholfreies Bier kann als natürliches Produkt ohne Zusatzstoffe betrachtet werden. Zudem kann es eine geschmackliche Alternative sein zum Sportgetränk, das vielleicht bereits während Belastung konsumiert wurde. Wenn jemand alkoholfreies Bier gern trinkt, dann kann es helfen nach dem Sport benötigte Flüssigkeit und Kohlenhydrate aufzunehmen. Es kommt entsprechend darauf an, was die Zielsetzung ist und was die individuellen Vorlieben sind.

Was spricht dagegen, sich nach einer erschöpfenden Ausdauerleistung ein zuckerhaltiges Getränk oder auch eine gesüsste Speise zu gönnen?

Wenn meine Energiespeicher leer sind und ein hoher Energiebedarf für die Regeneration besteht, dann sind flüssige Kohlenhydratlieferanten wie Getränke nicht nur hilfreich, sondern in dieser Situation auch nicht irgendwie als schädlich für die Gesundheit einzustufen. Schlussendlich stellen zuckerhaltige Getränke schnell verfügbare Kohlenhydratquellen dar, die zudem relativ gut verträglich in hohen Mengen konsumiert werden können. Für eine inaktive Person sind diese Eigenschaften vermutlich nicht wirklich sinnvoll. Für einen ausbelasteten Sportler mit völlig entleerten Energiespeichern hingegen durchaus.

 

Samuel Mettler ist Sportwissenschafter und und Doktor der Sporternährung. An der Berner Fachhochschule leitet er Studiengänge zu Sporternährung. Er hat Leichtathletik auf Leistungssportniveau betrieben.