Mountainbike Zentralschweiz: grosse Ziele, kleine Schritte
Nach der Bike Republic (Sölden), dem Bike Kingdom (Lenzerheide) nun also die Bikegenossenschaft. Diese hat ihr Herrschaftsgebiet da, wo einst die Eidgenossenschaft gegründet wurde. Hervorgegangen ist das Wortspiel aus dem Projekt Mountainbike Zentralschweiz, welches mit Bundesgeld (genauer: mit Mitteln aus dem Topf der Neuen Regionalpolitik, genannt NRP) Angebote für bikende Gäste fördern und die Innerschweiz als Bike-Gebiet bekannt machen will.
Die jüngste Entwicklung lässt allerding Zweifel aufkommen, dass der Mountainbikesport als Freizeit- und Tourismusangebot in der Innerschweiz den nötigen Rückhalt geniesst: Die Stimmberechtigten der Gemeinde Wolfenschiessen lehnten ein Trail-Projekt an der Urne ab, das sie gemeinsam mit Engelberg hätten realisieren können. Immerhin nahm Engelberg an, weshalb nun die offizielle Anbindung Richtung Stans und Luzern fehlt. Ein weiterer Rückschlag war, dass der neu angelegte Urseren Höhenweg bei Andermatt für Mountainbiker talwärts gesperrt wurde. Kämpfen Projektleiter Thomy Vetterli und seine Bikegenossen etwa gegen einen übermächtigen Gegner? Der Nidwaldner gibt gut gelaunt, aber durchaus realitätsbewusst Auskunft.
Die Zentralschweiz war schon vor diesem Projekt eine attraktive Bike-Region. Was ist durch das Projekt Mountainbike Zentralschweiz dazu gekommen?
Die einheitliche Kommunikation. Die Lancierung des Labels Bikegenossenschaft war ein wichtiges Zwischenziel. Von jetzt an müssen Biker die Infos zu den einzelnen Orten und Touren nicht mehr auf zehn verschiedenen Websites zusammensuchen.
War dein Job, dieses Label und eine Website aufzubauen?
Mein Job ist vor allem, die verschiedenen Stakeholder zu beraten und zu vernetzen. Was man nicht vergessen darf: Im Gegensatz zu Graubünden, dem Wallis oder Tessin besteht die Zentralschweiz aus fünf Kantonen, die alle an völlig verschiedenen Punkten stehen, was das Mountainbiken betrifft. Ein grosser Teil meiner Arbeit besteht darin, mit den verschiedenen Stellen in diesen fünf Kantonen zu reden und sanft Druck auszuüben, dass es vorwärts geht.
Welche Rolle spielen neue Trails und definierte Routen im Aufbau der «Bikegenossenschaft»?
In der Marbachegg ist ja ein erster Trail in Betrieb, ein weiterer ist in der Umsetzung, in Ingenbohl wurde gebaut und in Engelberg stehen diverse Trails vor der Umsetzung. Aber einzelne Strecken ohne Anbindung sind nicht das Ziel. Zuerst wollen wir das Angebot für die einheimischen Biker verbessern. Wenn dieses richtig gut ist, strahlt es nach aussen, sodass wir auch für anreisende Gäste attraktiv werden. Unser Fernziel ist ein zusammenhängendes Trail-Netz, das sich von der Marbachegg im Osten bis Andermatt im Westen erstreckt.
Es gibt aber auch andere Signale, Stichwort Wolfenschiessen und Urseren Höhenweg. Wie offen ist die Zentralschweiz für das Mountainbiken?
Zuerst: In der Innerschweiz ist das Mountainbiken auf Fusswegen grundsätzlich erlaubt, einzig der Kanton Luzern beschränkt es im Wald auf befestigte Wege. Aber es gibt immer noch Leute, die am liebsten keine Biker hätten. Immerhin wird das Thema viel positiver angenommen als noch vor ein paar Jahren. Momentan haben an verschiedenen Orten Landeigentümer oder Gemeinden das Gefühl, nur sie müssten etwas hergeben. Unsere Aufgabe ist es, zu zeigen, dass es ein Geben und Nehmen von allen und für alle ist.
Die Kantone finanzieren das Projekt mit. Welche Rolle spielen sie?
Sehr unterschiedliche Rollen: Uri hat das Mountainbike bereits in den Richtplan integriert, andere arbeiten noch am ersten Konzept für den Umgang mit dem Bikesport. Mit fünf Kantonen ein gemeinsames Projekt voranzubringen, ist kompliziert. Richtpläne etwa, die für die Freigabe von Wegen entscheidend sind, enden an den Kantonsgrenzen. Das können wir nicht ändern.
Das Projekt läuft Ende 2022 aus. Was soll bis dann erreicht sein?
Wir denken langfristig und es ist auch bereits klar, dass wir unsere Arbeit weiterführen werden, auch wenn kein Bundesgeld mehr fliesst. In den nächsten Jahren arbeiten wir daran, dass an vielen Orten Mountainbiker auf bestehenden Wegen fahren können. Diese lokalen Spielplätze wollen wir dann zu einem Trailnetz verbinden. Unser Ziel ist, dass wir 2028 ein durchgehendes Netz von der Marbachegg im Osten bis Andermatt im Westen haben. Da reiht sich ein spektakulärer Alpenübergang an den nächsten. In den Tälern gibt es immer wieder die Möglichkeit in die Richtung eines Sees auszuscheren oder von dort in das Gebiet einzusteigen.
Zuletzt noch: Die Bahnen auf die bekanntesten Ausflugsberge der Innerschweiz, die Rigi, der Pilatus und das Stanserhorn, befördern keine Velos. Wird sich daran etwas ändern?
Wir finden es richtig, dass es weiterhin Gebiete gibt, in denen nicht oder kaum gebikt wird. Auf der Rigi sind dank der E-Bikes und der Strasse, die hinaufführt, auch ohne Transportverbot immer mehr Biker unterwegs. Wir machen ihnen nun Vorschläge, wie sie in begrenztem Umfang Mountainbiker transportieren können, diese lenken und so als Wandergebiet attraktiv bleiben können. Auf einem so steilen Berg wie dem Stanserhorn mit so vielen Wanderrn auch noch Biker oben abzusetzen, finden wir nicht sinnvoll. Da braucht es ein Angebot im tiefer gelegenen Gebiet. Übrigens gäbe es interessante Alternativen zum Bahntransport.
Welche?
Wir haben die einmalige Situation, dass man mit dem Schiff diverse Bike-Spots ansteuern kann. Als die asiatischen Gäste ausblieben, waren die Schifffahrtsgesellschaften plötzlich offen für Velotransporte. Das ist sehr interessant, allerdings darf es nicht passieren, dass sie die Biker wieder ablehnen, wenn die Asiaten zurückkommen.