3D-gedruckt und geklebt statt geschweisst – So ein Bike gab's noch nie
Robert Janssen lebt im Schaffhausischen Rüdlingen, ist gelernter Mechatroniker und arbeitet als Betriebsökonom. Schon länger tüftelt er an einem Mountainbike, das sich genau zum Körperbau des Fahrers anpassen lässt. Im Coronasommer brachte er sein Projekt entscheidend voran. Inzwischen ist er auf seinem ersten Hardtail namens No.One unterwegs, wie er es ab 2022 verkaufen will. Es fehlen noch die Tests als Bestätigung der Dauerbetriebsfestigkeit nach ISO-Norm. Zwei weitere Rahmen für diese Prüfung versucht er über wemakeit.com zu finanzieren. Die Crowdfunding-Kampagne läuft noch bis Mittwoch 24. November.
Robert, dein Hardtail Bike No.One willst du in 30 verschiedenen Grössen anbieten. Wie funktioniert das?
Mein Rahmen besteht aus Rohren und Muffen. Für jede Rahmengrösse gibt es unterschiedliche Winkel und Rohrlängen im Rahmen und durch die Vermuffung kann ich die einzelnen Rahmenteile dann so zusammenstellen, dass es in Summe 30 Grössen ergibt. Zusammengefasst stelle ich das in einer Grössenmatrix dar.
Wozu braucht ein einziges Bike 30 verschiedene Abmessungen?
Die meisten grossen Hersteller bieten ihre Rahmen in S, M, L und XL an. Sie nehmen keine Rücksicht auf den Körperbau – die einen haben lange Beine und einen kurzen Oberkörper oder umgekehrt, andere besonders lange Arme und das alles in verschiedenen Körpergrössen. Meine Grössen-Matrix bietet für jeden Körperbau den passenden Rahmen – je nach Wunsch auch etwas verspielter mit kürzerem Reach oder länger für Racer.
Wie bist du darauf gekommen?
Als ich ein neues Bike suchte und mich mit Geometrien auseinandersetzte, fiel mir auf, wie die grossen Hersteller den Körperbau ignorieren. Dann begann ich zu experimentieren, zuerst im CAD am Computer, dann baute ich mein erstes Bike.
Die Konstruktion deiner Rahmen ist ebenfalls ziemlich speziell. Erklär mal!
Als Rahmenmaterial verwende ich Präzisionsedelstahlrohre und passe diese entsprechend an um sie später mit 3D-gedruckten Aluminium-Muffen zu verbinden. Als Verbinder verwende ich dann industriellen Konstruktionsklebstoff. Im Hinterbau verwende ich Rohre mit quadratischem und rechteckigem Querschnitt, die einen gewissen Flex bieten.
Du klebst, statt zu schweissen. Was ist der Vorteil?
Die hohen Temperaturunterschiede beim Schweissen, beispielsweise von Aluminium, schwächen den Rahmen um den Bereich der Schweissnaht. Zudem ist Schweissen extrem energieintensiv, auch wegen der damit verbundene Verfahren, um die entstehenden internen Spannungen abzubauen. Der Industrieklebstoff hingegen härtet bei 65 Grad Celsius schon innerhalb von zwei Stunden aus.
Eine möglichst nachhaltige Produktion ist mir wichtig. Darum verwende ich Stahlrohre statt Alu. Zudem ermöglicht meine Konstruktion, die Rahmen komplett in der Schweiz herzustellen. Eine Firma in Bern stellt die Muffen her, die Rohre beziehe ich von einer Firma in Lupfig und das markant gebogene Sitzrohr lasse ich von einem Spezialisten in Birmensdorf biegen. Die Rahmen baue ich in Rüdlingen zusammen.
Wie schwer ist das Bike?
In der günstigen Ausstattung mit SRAM GX-Gruppe 12.6 Kilogramm, ohne Pedale. Mit Carbon-Laufrädern und Lenker sowie High-End-Komponenten lassen sich etwa 1.5 Kilo einsparen.
Wie teuer wird dein Bike?
Ich arbeite noch daran, den Preis zu reduzieren. Nach aktuellem Stand kostet der Rahmen 3600 Franken, das komplette Bike 5900 Franken. Mein Ziel ist, das Komplett-Bike unter 5000 Franken und den Rahmen unter 3000 Franken anbieten zu können.
Wer leistet sich für diesen Preis ein Hardtail?
Es ist ein Nischenprodukt, das ist klar. Ich habe ein paar Interessenten und an der Cycle Week erhielt ich viele positive Reaktionen. Aber ich bin selber gespannt, ob ich damit Erfolg habe.
Was spricht für ein Hardtail?
Die Einfachheit und das tiefe Gewicht sind wichtige Vorteile. Ein Hardtail-Rahmen ist praktisch wartungsfrei, im Gegensatz zu einem gefederten Hinterbau. Ich finde die Fahreigenschaften sehr interessant. Man spürt jeden Stein und jede Wurzel. Wer lange nur noch Fullie fuhr, lernt mit dem Hardtail neu zu biken. Ich fahre oft Hardtail, auch auf alpinen Singletrails und im Bikepark. Ich springe sogar Drops damit.
Was tust du, wenn du das Geld für die Prüf-Rahmen über die Crowdfunding-Kampagne nicht zusammenkriegst?
Dann wird es etwas länger dauern, bis ich die Rahmen für die Zertifizierung bauen kann. So wird es wahrscheinlich nicht mehr reichen, um im Frühjahr 2022 die ersten Rahmen zu verkaufen, sondern erst 2023. Aber ich werde das No.One so oder so auf den Markt bringen.
In Englisch bedeutet «vain» vergeblich, eitel, nutzlos. Was willst du mit deinem Markennamen aussagen?
Vain war mein Spitzname, den mir Freunde vor vielen Jahren verpasst haben, er ist als Wortspiel aus «wen kümmert's» hervorgegangen. Natürlich werde ich immer wieder darauf angesprochen, im Sinne von: «Ist der Name Programm?» Der Name gibt auf jeden Fall zu reden und das ist doch schon mal gut.