Berner Waldbesitzer greifen nach dem Portemonnaie des Bikesports
Mountainbike-Projekte haben es im Kanton Bern weiterhin besonders schwer. Jüngstes Beispiel: das «Konzept Mountainbike-Routen Naturpark Gantrisch». Geplant ist eine Route, die Bern mit den Naturpark Gantrisch verbindet. Der Verein Bike Region Voralpen treibt es behutsam voran, bezieht alle Betroffenen ein. An einem Info-Abend, an dem Grundeigentümer und andere Nutzergruppen über das Projekt aufgeklärt und um ihre Meinung gebeten werden, tritt der Verband der Berner Waldbesitzer BWB gemäss Augenzeugen auf und verteilt ein Dokument, das er auch auf seiner Website anbietet. Darin steht: «Der Verband der Berner Waldbesitzer empfiehlt allen betroffenen Waldbesitzern keinerlei «Einverständniserklärungen» oder dergleichen zu unterzeichnen. Nur und ausschliesslich ein Nutzungsvertrag mit einer entsprechenden Entschädigung kommt als Voraussetzung für eine Unterzeichnung eines Baugesuches in Frage.»
Worin der Vorteil eines Nutzungsvertrags gegenüber einer Einverständniserklärung besteht, zeigt sich etwas weiter unten klar: Die Eigentümer des Walds, in dem andere Fahrrad fahren, sollen entschädigt werden für den Schaden, der ihnen daraus erwächst. Denn Trails und Routen schränkten die Waldbewirtschaftung ein: es gehe bewirtschaftbare Fläche verloren und der Aufwand steige wegen Informations-, Koordinations- und Sicherheitsmassnahmen bei Forstarbeiten.
Und damit zum eigentlichen Ziel des Papiers: Die Berner Waldbesitzer müssen nach Ansicht ihres Verbands entschädigt werden, sollte das Fahrradfahren auf ihren Waldboden erlaubt sein. Und das nicht zu knapp:
15’000 Franken Entschädigung für 1 Kilometer Trail – pro Jahr
Bei einem neu angelegten Mountainbiketrail seien 1 bis 5 Franken pro Quadratmeter angemessen. Und weil ein Weg auch über seine eigene Breite hinaus die Waldbewirtschaftung einschänke, sei generell von drei Metern Breite auszugehen. Eine angelegte Strecke von einem Kilometer Länge bringt also eine nicht mehr bewirtschaftbare Fläche von 3000 Quadratmetern mit sich. Dafür müssten die privaten Eigentümer des Walds 3000 bis 15’000 Franken erhalten. Pro Jahr. Würden die Besitzer der Waldfläche, auf der sich der Gurten Trail befindet, so entschädigt, würden sie jährlich 12’000 bis 36’000 Franken einstreichen. Was ihnen das in den bisher 19 Betriebsjahren des Gurten Trails eingebracht hätte, darf sich jeder selber ausrechnen.
Zudem wollen die Berner Waldbesitzer auch für die Mitbenutzung der Waldstrassen durch Velofahrer entschädigt werden. Das betrifft etwa die Gravelbiker oder Tourenradfahrer. Immerhin kostet das etwas weniger, nämlich 0.50 bis 2 Franken pro Meter und Jahr (hier ist der Laufmeter entscheidend). Eine Waldstrasse von einem Kilometer Länge soll ihrem Besitzer also jährlich 500 bis 2000 Franken einbringen, sollte er das Fahrradfahren darauf erdulden müssen.
Wer das bezahlen soll, lässt das Papier der Berner Waldbesitzer offen. Ist nicht ihr Problem. Für jene, die Trail-Projekte vorantreiben, ist es hingegen sehr wohl eines, erhöht es doch die Kosten deutlich, umso mehr, als diese wiederkehrend sind. Natürlich ist der Unterhalt einer Strecke auch nicht billig. Aber in zehn Jahren darüber hinaus 120’000 bis 360’000 Franken – Beispiel Gurten – für das Nutzungsrecht abzudrücken, dürfte praktisch jedes Projekt unbezahlbar machen.
Bike-Nutzung wäre viel lukrativer als Forstwirtschaft
Die Frage ist: Haben die Berner Waldbesitzer das Fahrradfahren als neue Ertragsquelle entdeckt? Oder geht es ihnen viel mehr darum, Trail-Projekte unrealisierbar, da unfinanzierbar zu machen? Eine dritte Möglichkeit: Es ist Verhandlungstaktik und der BWB versucht mit einer Maximalforderung möglichst viel für sich herauszuholen, wohlwissend, dass es ganz so viel dann doch nicht sein wird.
Klar ist: Eine Entschädigung von 1 bis 5 Franken pro Quadratmeter liegt weit über dem durchschnittlichen Ertrag der Berner Waldbesitzer. Diese wird in der Regel pro Hektare berechnet, das wären somit 10’000 bis 50’000 Franken pro Hektare bewirtschafteten Walds. Die neuste Zahl zu den Erträgen der Berner Forstbetriebe bezieht sich auf das Jahr 2021 und stammt aus dem Nachhaltigkeitsbericht des Kantons Bern. Jenes Jahr sei «überdurchschnittlich gut» gewesen, steht da, der Ertrag habe 76 Franken pro Hektare betragen. Im Vergleich dazu sind Biketrails eine Goldgrube.
Natürlich kann ein Eigentümer seinen Wald nicht flächendeckend mit Trails belegen. Aber schon eine gebaute Strecke von 100 Metern durch eine Hektare Wald (100 mal 100 Meter) brächte 300 bis 1500 Franken ein, also das Vier- bis Zwanzigfache des kantonalen Schnitts.
Trotzdem hält der Verband der Berner Waldbesitzer auf Anfrage von Ride daran fest: «Die Entschädigungen an die Grundeigentümer bemessen sich am Zusatzaufwand, welcher entsteht und am Ertragsausfall.» Immerhin präzisiert Geschäftsführerin Anja Leser, die Entschädigung sei Verhandlungssache zwischen der Trägerschaft der Routen oder Trails und den Grundeigentümern. «Wenn durch das Errichten einer Route oder Trail eine Entlastung auf dem übrigen Waldareal stattfindet und gute Unterhalts- und Haftungsregelungen gefunden werden, sind die Waldeigentümer in Verhandlungen sicher auch bereit, auf Maximalforderungen zu verzichten.» Das klingt dann wieder eher nach Verhandlungstaktik.
So reagieren BEBike, Swiss Cycling und IMBA Schweiz
Der Verein BEBike, der sich in den letzten Jahren mit einigem Erfolg darum bemüht hat, die Blockadehaltung vieler Akteure gegenüber dem Mountainbikesport aufzulockern, ist mit dem BWB in einer Arbeitsgruppe im Gespräch. BEBike-Präsident Hansueli Zwahlen meint zur Forderung der Waldbesitzer: «Das Thema Entschädigung beschäftigt uns schon länger, speziell beim Staatswald und bei einzelnen Burgergemeinden. Interessanterweise ist sie bei den einzelnen privaten Waldbesitzern weit weniger ein Thema. Die wollen einfach eine geregelte Lösung, einen Ansprechpartner in der Bike-Gemeinde und eine Haftpflichtversicherung für ihr Gebiet.»
BEBike verhandelt laut Zwahlen seit über einem Jahr mit dem BWB und dem Berner Bauernverband eine für Besitzer und Bewirtschafter tragbare Lösung im Kanton Bern. «Über das öffentliche Vorpreschen des Verbands Berner Waldbesitzer sind wir erstaunt, da wir eigentlich noch mitten im Verhandlungsprozess stehen.» Für Hansueli Zwahlen steht fest, dass Entschädigungen in der Höhe, die der BWB vorschlägt, Mountainbike-Projekte unrealisierbar machen. «Damit fördern sie einzig und allein das wilde und unorganisierte Mountainbiken.»
Der BEBike-Präsident sieht die aktuelle Situation als Weckruf für die Mountainbiker. «Es ist wirklich wichtig, dass wir alle zusammenstehen, denn nur als starke Einheit der Bike-Community haben wir genug Gegengewicht gegenüber den anderen Interessenverbänden. Die haben ihre Leute flächendeckend hinter sich und sind sehr gut organisiert und vernetzt.» Jede und jeder solle Mitglied einer Infrastruktur- oder Lobby-Organisation werden, besonders im Kanton Bern.
Für Swiss Cycling und die IMBA Schweiz ist das Papier des BWB ein Déjà-vu: Vor etwas mehr als einem Jahr hat WaldSchweiz ein Papier vorgelegt, in dem der Verband der Schweizer Waldbesitzer ebenfalls finanzielle Entschädigung für Biketrails forderte. Dementsprechend verweisen die beiden Fahrrad-Verbände darauf, dass ihre Position weiterhin gelte. «Im vergangenen Frühjahr haben wir ein Positionspapier zu Freizeitaktivitäten im Wald veröffentlicht. Darin plädierten wir für einen ganzheitlichen und fairen Ansatz und forderten, dass Mountainbiker:innen gleichberechtigt mit anderen Nutzergruppen behandelt werden. Gleichzeitig stellten wir klar, dass wir Entschädigungen in bestimmten Fällen nicht grundsätzlich ablehnen. Wir sind uns der wichtigen Rolle der Waldbesitzer:innen bewusst und wollen den Dialog mit ihnen aktiv fördern.»
Eine Entschädigung dürfe aber nur dann erfolgen, wenn sie sachlich gerechtfertigt und verhältnismässig ist. Dann verweisen Swiss Cycling und IMBA Schweiz auf die bereits erwähnte Arbeitsgruppe im Kanton Bern, die gemeinsame Lösungen erarbeite. «Umso mehr erstaunen uns die kürzlich publizierten, einseitigen Forderungen der Berner Waldbesitzer.»
Die geplante Route von Bern nach Riggisberg wird sowohl für den BWB als auch für die Mountainbike-Organisationen ein erster Prüfstein, der zeigen wird, wo man sich finden, und wer das allenfalls bezahlen kann. Hängt ab sofort ein Preisschild an jedem Waldweg, werden diese wie Meterware abgerechnet? Oder ist die Mehrheit der Ansicht, wichtiger sei, dass Mountainbikende mit attraktiven Routen gelenkt werden? Klar ist: Die Maximalforderung des BWB macht Bikeprojekte – ob klein oder gross – unbezahlbar.