Deutschlands grösstes Fahrrad-Magazin ist nicht mehr als Schleichwerbung | Ride MTB

Deutschlands grösstes Fahrrad-Magazin ist nicht mehr als Schleichwerbung

WE+Bike ist ein neues, deutsches Magazin, das sich schwergewichtig dem E-Bike annimmt. Bloss: Dahinter steht die Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft ZEG, die sich als Herausgeberin aber nicht zu erkennen gibt.

Die ZEG ist einer der grossen Player im europäischen Fahrradmarkt. Gegründet wurde sie in den Sechzigerjahren, um Fachhändlern durch gemeinsamen Einkauf günstige Einstandspreise zu ermöglichen. In den folgenden Jahrzehnten wurde die ZEG selber zum Hersteller von Fahrrädern wie Bulls, Kettler, Pegasus und weiteren. 2017 übernahm das Unternehmen den E-Bike-Pionier Flyer. Weitere Markenprodukte im Fahrradbereich führt das Unternehmen als sogenannte «Streckenlieferanten», was bedeutet, dass Fachhändler diese über die ZEG bestellen und damit von deren Vorzugspreisen profitieren – das ursprüngliche Geschäft der Einkaufsgenossenschaft.  

Rund 1000 Fahrradfachgeschäfte sind Partner der ZEG. Diese erwirtschaftet jährlich einen Umsatz von 500 Millionen bis zu einer Milliarde Euro. Zudem ist das Unternehmen mit Sitz in Köln in der Vermietung und dem Leasing von Fahrrädern aktiv. Der Beitrag der ZEG zugunsten des Fachhandels und für die Sache des Velos überhaupt ist unbestritten.

Nun ist die Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft in einem neuen Geschäftsfeld aktiv geworden: Mit WE+Bike gibt sie das nach eigener Angabe auflagenstärkste Fahrradmagazin Deutschlands mit über 100'000 Exemplaren pro Ausgabe heraus. Das redaktionell aufgemachte Heft kann im Zeitschriftenhandel gekauft werden und liegt bei den ZEG-Partnershops sowie in Arztpraxen auf.

Befremden löst die Tatsache aus, dass die ZEG nicht als Herausgeberin von WE+Bike auftritt. Im Impressum wird die Paul Nettersheim GmbH als Verlag angegeben, mit der sie sich die Adresse und Georg Honkomp als Vorstandsvorsitzenden (ZEG) bzw. Geschäftsführer (Paul Nettersheim GmbH) teilt.

Redaktionelle Werbung ohne Transparenz

WE+Bike wirkt auf den ersten Blick wie ein unabhängiges, neutrales Magazin das über Themen aus der Welt der E-Bikes und weiterer Fahrradklassen berichtet. Geboten wird beispielsweise ein Essay über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Fahrradfahren in Deutschland, die sich verändernde Berufsausbildung des Fahrradmechanikers ist Thema, und in einer Reportage lernen die Lesenden einen Postboten kennen, der auf einer ostfriesischen Insel mit dem Cargobike die Post zustellt. Wie in praktisch jedem Fahrradmagazin gibt es Produktetests und Kaufempfehlungen. Nur dass in WE+Bike ausschliesslich Fahrräder und Zubehör vorkommen, die von der ZEG produziert oder von den Händlern über sie bezogen werden.

Schon im Lead der Ostfriesland-Reportage wird der Markenname des Lastenvelos genannt, das der Inselpöstler fährt. Die technischen Daten folgen weiter hinten im Text. Im Zweitstoff lernen die Lesenden zwei weitere Cargobikes aus dem ZEG-Portfolio kennen. Es ist, als blätterte man das Migros-Magazin oder die Coop-Zeitung durch. Ein Teil der Texte hat durchaus redaktionellen Charakter. Zu sehen sind aber ausschliesslich Produkte des Herausgebers. Corporate Publishing nennt sich das. Auch Veloplus und Transa geben ein Magazin heraus. Im Unterschied zu WE+Bike machen all diese Firmen schon im Titel ihrer Kundenzeitung klar, wer der Absender ist. Andere Zeitschriften wie beispielsweise Ride, leben vom Anzeigenverkauf an diverse Kunden. Entscheidend ist, dass klar ist, welche Inhalte direkt von Inserenten kommen und welche die Redaktion nach journalistischen Grundsätzen verfasste.

Man hüllt sich in Schweigen

Warum gibt sich die ZEG nicht als Herausgeberin von WE+Bike zu erkennen? Nach zahlreichen Versuchen kommt ein kurzes Telefongespräch mit einem Vertreter zustande, seine Antworten gibt dieser danach nicht frei. Die Texte des Hefts schreiben Redaktionsmitglieder des deutschen Online-Magazins Velomotion. Auch mit einem Mitarbeiter dieser Firma fand ein Telefongespräch statt, aus dem nicht zitiert werden darf. Die Verantwortlichen von WE+Bike hatten die Möglichkeit, Stellung zu nehmen. Sie zogen es vor, sich nicht zu äussern.

Im Pressekodex des deutschen Presserats heisst es unter Punkt 7, Trennung von Werbung und Redaktion: «Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser hinausgeht oder von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte Vorteile belohnt wird.» Wenn wie in der dritten Ausgabe von WE+Bike Ausgabe Radreisevorschläge mit der Empfehlung eines bestimmten Fahrradmodells aus dem Angebot der ZEG kombiniert werden, dann ist das keine Information sondern Werbung.

Für Professor Dr. Siegfried Klaue, emeritierter Publizistik-Professor der Freien Universität Berlin und Experte für Medienrecht, steht fest: «Publizistisch über Fahrräder zu schreiben und nur bestimmte Fahrräder im Bild zu zeigen, um eine Werbewirkung zu erzielen, ist Schleichwerbung. Da werden Redaktion und Werbung vermischt. Allerdings ist das in Deutschland nicht verboten.» Die ZEG tut nichts Verbotenes, wenn sie ihre Produkte in einem redaktionell aufgemachten Magazin präsentieren lässt. Trotzdem würde dem Branchenprimus etwas mehr Transparenz gut anstehen.

weplusbike.de