Happy Birthday Wanderwege: Ein Schweizer Singletrail-Netz wird 90
Der Dezember 1934 war gemäss Wetter-Archiv der wärmste seit 50 Jahren. Ob dies die Geburt der Schweizer Wanderwege vor 90 Jahren beeinflusst hat, ist nicht bekannt. Grund war auf jeden Fall weniger das Wetter und die zum Wandern einladende Schweizer Landschft, als die sich entwickelnden Verkehrsverhältnisse.
Erstaunlich aus heutiger Sicht: Lange gab es keinen Grund. Wege nur für Menschen ohne fahrbaren Untersatz anzulegen. Während tausenden von Jahren waren Wege und Strassen für jene da, die sie brauchten. Die einen Nutzer waren etwas breiter, die anderen etwas schmaler, im Tempo unterschieden sie sich nicht gross, wenn nicht gerade ein Kutscher seine Zugpferede galoppieren liess.
Doch Anfang des 20. Jahrhunderts kam das Auto und nahm sich seinen Raum. Etwas später übrigens im Kanton Graubünden, wo bis 1925 ein Fahrverbot für Automobile galt. Anders war es beispielsweise auf dem Klausenpass. Dort wanderte Sekundarlehrer Hans Jakob Ess mit seiner Klasse Richtung Passhöhe. Der Verkehr, der Staub auf der noch unbefestigten Strasse, der Lärm und die Abgase machten die Schulreise zu einer «frustrierenden Tour», so die Chronik der Schweizer Wanderwege.
Ess suchte daraufhin Gleichgesinnte und fand sie in Otto Binder, Chef von Pro Juventute und dem Bund der Schweizer Jugendherbergen in Personalunion. Zusammen gründeten sie die Zürcherische Arbeits-gemeinschaft für Wanderwege. Die ersten Routen führten stets von einer Tram-Endstation, also vom Stadtrand Zürichs, in die Natur hinaus. Das Schweizer Singletrail-Netz hat also im Kanton Zürich zu wachsen begonnen.
Das war 1933 und im folgenden Jahr gründeten Ess und Binder zusammen mit weiteren Interessierten aus anderen Kantonen am 15. Dezember die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Wanderwege, dem Vorläufer des Verbands Schweizer Wanderwege, wie er heute heisst.
Am Tag ihrer Gründung legten die Wanderweg-Promotoren den gelben Wegweiser als Signalisierung fest, der bis heute zeigt, wo es zum nächsten und oft auch übernächsten Ziel geht.
Allerdings mit einem Unterbruch: Während des Zweiten Weltkriegs montierte die Armee sämtliche Wanderwegweiser ab, um möglicherweise einfallenden Truppen die Orientierung zu erschweren. Dies habe aber bewirkt, dass Routenvorschläge auf Papier und geführte Gruppenwanderungen umso populärer geworden seien, schreibt der Verband Schweizer Wanderwege. Und nach Kriegsende seien die gelben Schilder «umso engagierter» wieder platziert worden.
In den folgenden Jahrzehnten entstanden 65’000 Kilometer Wanderwege und das Wandern mauserte sich zum Volkssport Nummer Eins der Schweiz, woran sich bis heute nichts geändert hat.
Was nicht heisst, dass die Wanderwege unbestritten waren. Denn viele wurden nach und nach zu geteerten Strassen mit Autoverkehr. Dies veranlasste Hugo Bachmann in den Siebzigerjahren, die Wanderweg-Initiative zu lancieren. Das Volksbegehren verlangte, dass die Kantone ein Wanderwegnetz unterhalten mussten und unbefestigte Wanderwege nur noch asphaltiert werden durften, wenn anderswo Ersatz dafür geschaffen wurde. Die Stimmenden nahmen die Initiative 1979 mit über 77 Prozent Ja-Stimmen an, womit sie bis heute zu den erfolgreichsten Vorlagen an der Urne gehört.
Bis 2017 in unverkennbarer Anlehnung an die Wanderweg-Initiative die Veloweg-Initiative zur Abstimmung kam und mit 73 Prozent ebenfalls eine starke Mehrheit fand. Mountainbikerinnen waren im Abstimmungskampf kein Thema. Erst das Parlament erweiterte die Pflicht der Kantone neben Velowegen für den Alltagsverkehr auch Routen für die Freizeit zu schaffen und zu unterhalten.
Unabhängig davo sind aber besonders jene Wanderwege, die Singletrail-Breite haben, ein Spielplatz für hunderttausende Mountainbiker. Die Kantone handhaben den Veloverkehr auf schmalen Wegen unterschiedlich und die Bikerinnen, die den gelben Wegweisern folgen, sind nicht unbestritten.
Klar ist aber, dass auch die Stollenritter-Gemeinde allen Grund hat, ein Glas auf den 90. Geburtstag dieses grossartigen Wegnetzes zu heben. Und, falls nicht schon passiert, dem Verein Schweizer Wanderwege beizutreten und so Teil der Community zu werden, die sich um dieses dicht gesponnene Netz kümmert.