Kanada doppelt am DH-Weltcup in Leogang nach
Der Elite-Wettkampf der Frauen in Saalfelden Leogang beginnt zäh, entwickelt sich aber gegen Ende zu einem echten Thriller. Die Deutsche Nina Hoffmann fehlt nach einem Sturz im morgendlichen Training.
Marine Cabirou, die sich erst über das zweite Qualifikationsrennen (Q2) ins Finale rettet, zeigt sich in Topform und will im Epic Bikepark Leogang verlorene Zeit wettmachen. Besonders der Übergang vom Wurzelstück in den «Motorway» gelingt ihr perfekt. Bei den ersten beiden Zwischenzeiten liegt sie klar in Führung und unterbietet die bis dahin beste Zeit von Harriet Harnden um vier Sekunden.
Fahrerin um Fahrerin erreicht das Ziel, doch niemand kommt auch nur annähernd an Cabirous Zeit heran. Alles deutet auf ihren ersten Leogang-Sieg und den neunten Weltcupsieg ihrer Karriere hin. Dann rollt Gracey Hemstreet vom Starthügel.
Zwar verliert sie bei Zeitmessung drei etwas Zeit, doch im steilen Waldabschnitt schlägt sie zurück und wie. Mit maximalem Risiko macht sie alles wett und setzt sich mit drei Sekunden Vorsprung an die Spitze. Hinter Hemstreet reiht sich zunächst die Amerikanerin Anna Newkirk ein und sorgt für ein nordamerikanisches Podium. Sie verpasst ihren ersten Weltcupsieg seit 2019 nur knapp.
Alle Augen richten sich nun auf die Einheimische Valentina Höll, die schnellste Qualifikantin, amtierende Weltmeisterin und Gesamtsiegerin der letzten Saison. Bei der vorletzten Zwischenzeit liegt sie noch eine Sekunde in Führung, der Heimsieg scheint greifbar. Doch auch sie kann Hemstreets sensationellem Schlussteil nichts entgegensetzen und fällt mit hörbarem Seufzen der Menge auf Rang drei zurück.
Für Hemstreet ist es der zweite Weltcupsieg innerhalb von zwei Wochen und sie ist damit die sechste Fahrerin der Geschichte, die direkt nach ihrem ersten Weltcupsieg einen weiteren folgen lässt. Zuletzt gelang das auch Höll (2021) und Cabirou (2019). Beste Schweizerin wird Camille Balanche auf Rang sieben.
«Ich habe das definitiv nicht erwartet», sagt Hemstreet im Ziel. «Ich war die ganze Woche über eigentlich nicht besonders zuversichtlich. Ich hatte Probleme auf dem Motorway, aber ich habe einfach so hart wie möglich getreten. Im Ziel habe ich es gespürt und war einfach nur glücklich.»
Dank ihres Sieges übernimmt Hemstreet auch die Führung in der Gesamtwertung. Die Britin Tahnée Seagrave startet zwar stark, wirkt im technischen Abschnitt jedoch durch eine alte Verletzung gehandicapt, verliert viel Zeit und wird Sechste. Lokalmatadorin Valentina Höll bleibt trotz starker Leistungen weiterhin ohne Saisonsieg.
Auch bei den Herren triumphiert ein Kanadier
Das durcheinandergewürfelte Qualifying der Herren sorgt in Leogang für Hochspannung. Schon der zweite Finallauf bringt Action: Ronan Dunne rutscht zwar aus dem Pedal, knackt aber dennoch als erster an diesem Wochenende die Drei Minuten Marke. Am Ende reicht das für Rang fünf.
Oisín O’Callaghan liegt bis zu einem technisch anspruchsvollen Dreifach-Knick noch gut im Rennen, stürzt dann aber heftig. Kurz darauf bringt Andreas Kolb, österreichischer Lokalmatador und Teamkollege, das Publikum mit einem starken Waldabschnitt zum Beben. Bei der Zwischenzeit leuchtets grün, doch seine 0,066 Sekunden Vorsprung reichen im Ziel nicht aus.
Die Führung wechselt wenig später: Der Neuseeländer Lachlan Stevens-McNab bringt endlich den Durchgang, auf den er die ganze Saison wartet. Beim Saisonauftakt in Bielsko-Biała noch gestürzt, bleibt er diesmal fehlerfrei und übernimmt die Führung mit einer Top-Zeit. Loïc Bruni (FRA), Sieger des Auftaktrennens, braucht dringend ein starkes Ergebnis und liefert. Mit einem kraftvollen, fehlerfreien Lauf fährt er 1,4 Sekunden schneller als Stevens-McNab. Doch dann kommt Jackson Goldstone. Der Kanadier gleitet mühelos über die Wurzelpassagen und durch den «Motorway», zeigt vollen Einsatz im Steilhang zur Wall-Ride-Sektion und wird belohnt. Mit einem Vorsprung von 0,059 Sekunden schlägt er Bruni im Fotofinish.
Noch sind Top-Fahrer wie der schnellste Qualifikant Loris Vergier (Regenbogentrikot) und Gesamtführender Amaury Pierron oben. Goldstone zittert im Zielbereich. Doch keiner kommt mehr an ihn heran.
Der Deutsche Henri Kiefer zeigt überraschend den stärksten Konter, neben Bruni und Goldstone ist er der einzige, der einen Sektor gewinnt. Am Ende reicht es ihm auf Rang drei hinter Goldstone und Bruni.
«Der letzte Split und die Wurzelpassage in den Motorway waren für mich die zwei entscheidenden Abschnitte. Ich glaube nicht, dass ich sie hätte besser fahren können», sagt Goldstone nach dem Rennen.
Heimfans feiern Triumph bei den Juniorinnen
Rosa Zierl sorgt gleich zu Beginn des Finaltages für Gänsehaut bei den österreichischen Fans. Als letzte Fahrerin der Juniorinnen rollt die amtierende Staatsmeisterin von der Rampe und liefert die schnellste Zeit des Tages. Damit verweist sie die Amerikanerin Aletha Ostgaard auf Rang zwei. Dritte wird die Neuseeländerin Eliana Hulsebosch. Als beste Schweizerin fährt Gianna Nef auf Rang fünf.
Ostgaard dominiert zuvor das Feld mit über vier Sekunden Vorsprung auf die Konkurrenz. Auch Zierl startet stark und liefert sich mit der Amerikanerin ein Duell um die besten Abschnittszeiten. Zwar zieht sie nie deutlich davon, doch sie dreht einen Rückstand von einer Sekunde beim vorletzten Zeitmesspunkt in einen Vorsprung im letzten Abschnitt und sichert sich den Sieg auf den letzten Metern.
«Es ist unglaublich, ich bin superglücklich. Ein enges Duell mit den Mädels. Ich kenne die Strecke gut und wollte einfach nur Spaß haben“, sagt Zierl im Ziel.»
Bei den Junioren siegt der Neuseeländer Oli Clark mit weniger als einer Sekunde Vorsprung.
Zunächst setzt der Amerikaner Asa Vermette eine Bestzeit, bevor die beiden schnellsten Qualifikanten starten. Alran liegt in den ersten beiden Abschnitten vorne, kann aber seinen Vorsprung nicht ins Ziel bringen und muss sich am Ende als Zweiter knapp geschlagen geben.
«Es ist ziemlich surreal. Ich habe hart dafür gearbeitet, hierher zu kommen und bin einfach nur glücklich», sagt Clark nach seinem Sieg.