Martin verzückt die Franzosen, Rissveds doppelt nach und Flückiger zurück in Top-3
Die Strecke in Les Gets präsentierte sich bei strahlender Sonne, aber mit rutschigem Untergrund. Der Regen der Vortage hatte den Boden aufgeweicht und technisch anspruchsvoll gemacht. Wer vorne mitfahren wollte, musste Tempo, Fahrtechnik und Nerven perfekt ausbalancieren. Martin und Rissveds taten dies am besten.
Rissveds unantastbar
Bereits am Samstag hatte Jenny Rissveds ihre 26 Monate währende Sieglosigkeit beendet. Am Sonntag legte sie nach, und wie. Gleich nach dem Start übernahm sie die Spitze und baute ihren Vorsprung konsequent aus. Nach der ersten Runde lag sie bereits zwölf Sekunden vor dem Feld. Ein kurzer Ausflug neben die Strecke in der zweiten Runde brachte sie kaum aus dem Rhythmus.
Entscheidend war eine Szene in Runde drei: Alessandra Keller vom Thömus Maxon Team führte die Verfolgergruppe an, kam aber ins Straucheln. Die Unruhe im Feld spielte Rissveds zusätzlich in die Karten. Unbeirrt meisterte sie die technischen Passagen, liess weder Nervosität noch Fehler zu und überquerte die Ziellinie nach einer Stunde, zwölf Minuten und einer Sekunde – mehr als eine Minute vor der Konkurrenz.
Hinter ihr entwickelte sich ein packendes Duell um Rang zwei. Samara Maxwell vom Decathlon Ford Racing Team setzte Keller unter Druck, doch die Schweizerin mobilisierte in der Schlussrunde alles und rettete sich vor Maxwell ins Ziel.
Damit stand Rissveds ganz oben auf dem Podest, Keller wurde Zweite, Maxwell Dritte. In der Gesamtwertung bleibt Maxwell knapp in Führung, doch der Rückstand von Rissveds beträgt nur noch 435 Punkte. «Ich hatte keinen Angriff geplant», erklärte Rissveds im Ziel. «Ich wollte einfach mein Rennen fahren. Genau das ist für mich der Schlüssel im Cross-Country: nicht zu sehr an die anderen denken.»
Auf ihren kleinen Aussetzer in der zweiten Runde angesprochen, sagte sie: «Ich dachte, ich hätte einen platten Hinterreifen. Es fühlte sich weich an. Die Bedingungen waren schwierig nach dem Regen der vergangenen Tage. Es gab viele Diskussionen über Reifen und Material. Am Ende habe ich eine gute Wahl getroffen, und ich bin glücklich damit.»
Als beste Österreicherin fuhr Laura Stigger auf den soilden siebten Rang, Jolanda Neff stellte ihre aufsteigende Form mit Platz neun unter Beweis. Ein Ausrufezeichen aus Schweizer Sicht zeigte auch Ginia Caluori, die mit Platz zwölf ihr bestes Elite-Resultat einfuhr, unmittelbar vor ihren Schweizer Kolleginnen Nicole Koller und Sina Frei. Nina Graf klassierte sich als beste Deutsche auf Platz 16.
Martin bringt Frankreich zum beben
Das grosse Highlight für die einheimischen Fans folgte im Männerrennen. Der 23-jährige Luca Martin, amtierender französischer Meister, lieferte einen denkwürdigen Auftritt ab. Schon im Juli hatte er im andorranischen Pal Arinsal das Short-Track-Rennen gewonnen. Nun setzte er sich in Les Gets die Krone auf.
Im entscheidenden Moment attackierte er auf einer der steilsten Anstiege. Der Italiener Luca Braidot vom Wilier-Vittoria Factory Team, bis dahin in Führung, konnte nicht mehr folgen. Martin nutzte die Gelegenheit und baute seinen Vorsprung bis ins Ziel aus. Mit einem spektakulären Wheelie überquerte er die Linie nach 1:22.03 Stunden – zwölf Sekunden vor Braidot. «Es ist einfach unglaublich», jubelte Martin. «Die Fans rufen meinen Namen, überall brennt es förmlich vor Begeisterung. Ich glaube, ich habe gewonnen, weil ich Spass auf dem Bike hatte. Ich blieb fokussiert und setzte den entscheidenden Angriff an den steilsten Anstiegen.»
Auf Rang drei fuhr der Schweizer Mathias Flückiger vom Team Thömus Maxon und sagt: «Ich wusste, dass ich einer guten Form bin. Die Werte aus dem Training ins Rennen umzusetzen, ist aber immer eine andere Geschichte. Mit dem dritten Platz heute schaue ich zuversichtlich in Richtung Crans Montana.» Dahinter folgten Alan Hatherly vom Giant Factory Off-Road Team sowie Simone Avondetto (Wilier-Vittoria). Auch Superstar Mathieu van der Poel bewies Moral: Von Startplatz 33 aus arbeitete er sich noch auf Rang sechs vor.
Ein weiteres solides Resultat lieferte Fabio Püntener mit Platz neun. Und sein Schweizer Kollege Marcel Guerrini klassierte sich auf dem guten 13. Rang, vor Dario Lillo und dem besten Deutschen, Luca Schwarzbauer. Unmittelbar dahinter beendet Nino Schurter das Rennen auf Platz 16.
In der Gesamtwertung liegt Martin nun auf Rang drei, 396 Punkte hinter Leader Christopher Blevins vom Specialized Factory Racing Team.
Nachwuchs: Treudler und Corvi setzen Zeichen
Auch bei den U23-Fahrern dominierten die Favoriten. Der Schweizer Finn Treudler vom Cube Factory Racing Team setzte seine Siegesserie fort und gewann bereits auch zum vierten Mal in dieser Saison im Cross Country. Nach einer 1:16.54 Stunden rollte er als Solist über die Ziellinie.
Zu Beginn hatte er sich mit Landsmann Benjamin Krüger abgesetzt, doch bald zeigte sich Treudlers Überlegenheit. Mit einem Vorsprung von 45 Sekunden liess er Krüger hinter sich. Der Franzose Alix Andre Gallis vom Sunn Factory Racing Team belegte Rang drei. «Ich fühlte mich sehr stark», sagte Treudler. «Ich hatte das Rennen unter Kontrolle und habe das Tempo bestimmt.»
Nicolas Halter (SUI) musste sich nach Platz vier im Short Track, im Cross Country abermals mit der Ledermedaille begnügen, während seine Landsmänner Maxime l'Homme und Kahlid Sidahmed auf die guten Plätze acht und zwölf einfuhren. Paul Schehl (GER) schaffte es ebenfalls in die Top-10.
Bei den Frauen bestätigte die Italienerin Valentina Corvi ihre Ausnahmestellung. Die Europameisterin fuhr ein souveränes Rennen, setzte sich gleich in der ersten Runde ab und kontrollierte das Feld. Mit einem Vorsprung von 56 Sekunden auf die US-Amerikanerin Vida Lopez de San Roman und 1:17 Minuten auf die Kanadierin Isabella Holmgren stand Corvi als Siegerin fest.
«Ich fühlte mich stark», sagte Corvi. «Ich bin stolz und glücklich, besonders mit Blick auf die Weltmeisterschaften nächste Woche.»
Als beste Schweizerin klassierte sich Lea Huber auf Platz fünf, sieben und acht gingen Elina Benoit und Fiona Schibler (beide SUI). Die Deutsche Finja Lipp beendet das Rennen auf Platz 13.
Bilder Cross-Country-Weltcup Les Gets
Die «Einarmigen» landen am Short-Track-Weltcup einen Doppelsieg
Die Short-Track-Weltcup-Rennen in Les Gets (Frankreich) boten Hochspannung und neue Sieger. Jenny Rissveds und Charlie Aldridge sorgten für grosse Emotionen, während im U23-Bereich Finn Treudler seine Dominanz bestätigte und Vida Lopez de San Roman bei den U23-Frauen erstmals jubeln durfte. Rissveds gewann vor Alessandra Keller und Samara Maxwell, Aldridge landete mit Team-Kollege Luca Martin einen Doppelsieg fürs Cannondale-Team, Dritter wurde Luca Braidot.
Elite Frauen
Jenny Rissveds (Canyon CLLCTV XCO) beendete ihre lange Durststrecke und gewann erstmals seit Juni 2023 wieder ein Short-Track-Rennen. Sie setzte sich am entscheidenden Schlussanstieg gegen Alessandra Keller (Thömus Maxon) durch. «Ich war cool, ruhig und habe versucht, es smart zu fahren», erklärte die Schwedin. Keller verkürzte ihren Rückstand in der Gesamtwertung auf Leaderin Evie Richards (Trek Factory Racing-Pirelli), die in Les Gets Fünfte wurde. Platz drei ergatterte sich die Neuseeländerin Samara Maxwell (Decathlon-Ford Racing Team). Mit den Plätzen vier und acht sichern sich Sina Frei und Jolanda Neff für das Cross-Country-Rennen jeweils einen Platz in der ersten Startreihe. Nach Platz 15 im Short Track startet Laura Stigger (AUT) am Sonntag aus der zweiten Startreihe
Elite Männer
Bei den Männern schien Christopher Blevins (Specialized Factory Racing) schon auf dem Weg zum Gesamtsieg, doch ein Kettenproblem stoppte ihn und er wurde nur 17. Stattdessen lieferten sich die Cannondale-Team-Kollegen Charlie Aldridge und Luca Martin mit den auffälligen einarmigen Lefty-Gabeln ein packendes Finale, das der Brite im Sprint für sich entschied. «Die letzten Kurven waren ein richtiger Kampf, ich bin überglücklich», sagte Aldridge nach seinem Premierensieg. Hinter den beiden sicherte sich Luca Braidot (Wilier-Vittoria Factory Team) Rang drei. Die schnellsten Deutschsprachigen sind Dario Lillo (SUI) und Julian Schelb (GER) auf den Plätzen sieben und acht.
U23 Frauen
Vida Lopez de San Roman (USA) feierte ihren ersten Weltcupsieg. Im Schlusssprint verwies sie Valentina Corvi (Canyon CLLCTV XCO) und Ella McPhee (Wilier-Vittoria Factory Team) auf die Plätze zwei und drei. «Es ist noch nicht ganz angekommen, aber es bedeutet mir extrem viel und gibt mir viel Selbstvertrauen vor den WM», sagte die 20-Jährige. Die Schweizerinnen Lea Huber und Monique Halter beenden das Rennen auf den Plätzen vier und fünf, beste Deutsche ist Andrea Kravanja auf Platz 17.
U23 Männer
Im Short Track scheint dieses Jahr kaum ein Kraut gegen Finn Treudler (Cube Factory Racing) gewachsen zu sein. Der Schweizer gewann in Les Gets bereits sein viertes Rennen in Serie und steuert klar auf den Gesamtsieg zu. In Les Gets liess er Benjamin Krüger (GER) und den Dänen Gustav Heby-Pedersen hinter sich. «Ich hatte eine super Vorbereitung in der Höhe, das hat sich heute ausgezahlt», erklärte Treudler. Mit nun 234 Punkten Vorsprung könnte er in Lenzerheide bereits den Sack zu machen.