Welche Wege im Kanton Aargau befahren werden dürfen, weiss niemand genau
Es klang so simpel wie unerfreulich: Im Kanton Aargau dürfen nur Wege befahren werden, die mindestens zwei Meter breit sind. So verkündete es der Kanton in seinem Fragebogen, mit dem er Erkenntnisse für seine «Bestandsaufnahme Velofahren im Wald» gewinnen will.
Dank aufmerksamen und mit den Aargauer Verhältnissen vertrauten Ride-Lesern zeigte sich: Das stimmt so nicht. Welche Wege Mountainbikerinnen befahren dürfen, ist in den kommunalen Waldstrassenplänen festgehalten. Wer also eine Biketour plant und es genau wissen will, muss in jeder Gemeinde auf seiner Route Einsicht in den Waldstrassenplan verlangen. Schon das ein Aufwand, der vernünftigerweise niemandem zugemutet werden kann.
Es kommt aber noch kafkaesker. Die Waldstrassenpläne sind nämlich zu einem grossen Teil gar nicht mehr aktuell, wie der Kanton Aargau auf Anfrage von Ride einräumt. Festgehalten ist diese Tatsache auch in einem amtlichen Dokument, einem Anhörungsbericht des Departements Bau, Verkehr und Umwelt. Dort steht: «Die meist rund 20 Jahre alten Waldstrassenpläne sind in verschiedenen Gemeinden nicht mehr auffindbar.»
Für Jurist Ivo Speck steht fest: «Die Gesetzgebung ist zu unklar und die Strafnorm im Aargauer Waldgesetz zu allgemein gehalten, um jemand büssen zu dürfen.»
Eine Online-Karte soll aufklären
Der Schwebezustand ist also zum Vorteil der Mountainbiker. Allerdings arbeitet der Kanton Aargau daran, die Situation zu klären und für alle ersichtlich zu machen. Die Waldstrassenpläne der Gemeinden sollen in einer digitalen Karte zusammengefasst werden und allen online zur Verfügung stehen.
Es fragt sich, wie stark das die Transparenz erhöht. Muss dann jeder Mountainbiker im Wald die Online-Karte des Kantons konsultieren, bevor er in einen Weg einbiegt, um herauszufinden ob auf diesem ein Fahrverbot gilt oder nicht? Was ist, wenn die Karte nicht abrufbar ist? Auch auf dieser Grundlage wären Bussen rechtlich schwer durchsetzbar.
Jurist Ivo Speck präzisiert: «Ein Verbot muss von einer Gemeinde erlassen werden und am Ort erkennbar sein. Eine Online-Karte allein hat keine rechtliche Wirkung.» Der Vertreter des Kantons entgegnet: Der Waldstrassenplan gebe jenen die Möglichkeit nachzuschauen, die es genau wissen wollen. Allen anderen empfiehlt er, sich an die Zwei-Meter-Regel zu halten, um sicher nichts falsch zu machen.
Das würde für die Aargauer Mountainbiker heissen, keine Singletrails mehr zu fahren. Die Trailbiker müssten entweder in einen anderen Kanton ausweichen oder sich ein neues Hobby suchen. Die Erfahrung zeigt, dass einschneidende Regelungen wie diese, die eine jahrzehntealte Praxis infrage stellen, kaum die erwünschte lenkende Wirkung entfalten.
Der Kanton Aargau arbeitet an einer Bestandesaufnahme zum Mountainbikesport auf seinem Gebiet. Ride hat darüber berichtet. Bildet diese Analyse die Bedürfnisse und Vorlieben der Bikerinnen realistisch ab, wird auch die Verwaltung erkennen, dass zwei Meter breite Forststrassen nicht das sind, was diese suchen und weshalb sie sich in der Natur bewegen.