Wenn das Pferd den Biker leckt – Trail-Toleranz als Chefsache
Da stehen sie aufgereiht: Wanderer, Biker, eine Pfadfinderin, ein Reiterpaar, Hündelerinnen, ein Förster und ein Jäger. Wie auf einem Vereinsausflug lächeln sie in die Kamera. «Das Foto ist wichtig», betont Alec Wohlgroth, der die bunte Truppe zusammengerufen hat. Ein Symbol soll es sein für die Koexistenz, für die gegenseitige Toleranz zwischen allen, die gerne auf Waldwegen unterwegs sind. «Das Pferd hat mein Ohr abgeleckt, klagt er, nachdem er sich, mit vollem Einsatz für seine Sache, zwischen der Stute und dem Hengst hat platzieren lassen.
Wohlgroth hat mit seinen Rekursen das historische Uetliberg-Urteil erreicht. «Nach diesem Gegeneinander hatte ich das Bedürfnis nach Harmonie», erklärt er seine Motivation für «Zäme happy». Und die herrscht an diesem Herbsttag auf dem Adlisberg bei Zürich. Die Co-Präsidentin von Züritrails ist selber geritten, der Jäger kennt sich mit Hunden aus, der Reiter ebenfalls, er ist Tierarzt von Beruf. Der Wanderweg-Verantwortliche bikt seit über 30 Jahren, der Förster fährt Bike-Rennen und die Hundetrainerinnen und der Dogsitter nehmen ihre Tiere während der Jagd an die Leine, obwohl diese hervorragend erzogen sind und nie einem Reh nachstellen würden. Der Jäger stellt sich der Pfadfinderin als Elch vor – sein Pfadiname.
Die Liste der Anwesenden spricht für Wohlgroths Qualitäten als Netzwerker und für den guten Willen derjenigen, die sich nicht nur intensiv im Wald bewegen, sondern sich dafür auch in Vereinen, Verbänden oder beruflich engagieren: Michael Hässig: Präsident Ostschweizer Reitverband OKV und seine Frau Barbara Hässig, Aktuarin des OKV; Samuel Ramseyer: Vizepräsident Verband Jagd Zürich; Corsin Riatsch: Revier-Förster Staatsförsterei Kanton Zürich, Gemeinde Stallikon; Luise Rohland und Flurin Dörig: Co-Präsidium Züritrails; Flavian Kühne: Geschäftsführer Vereinigung Wanderwege Kanton Zürich; Stella «Rubia» Zurkirchen, Leiterin Kommunikation Pfadi Kanton Zürich; Manuela Del Medico: Bernhardiner-Züchterin; Micaela Hölzel: Hundetrainerin; Robert Ebner: Dogsitter und Hans-Peter Kienast, Präsident Trailfriends und Alec Wohlgroths wichtigster Unterstützer bei «Zäme happy».
Der Feind ist hohl
Auf einen gemeinsamen Feind einigen sie sich schnell: «Der Hohle» ist sein Name. Der hohle Biker fährt quer durch den Wald, hohle Wanderer marschieren zu viert nebeneinander und versperren allen anderen den Weg, der hohle Reiter macht nach zwei Reitlektionen in den Sommerferien die Zürcher Wälder unsicher, nicht zu vergessen der hohle Hündeler, der sich übers Internet einen traumatisierten Vierbeiner aus einem rumänischen Tierheim bestellt, keine Ahnung von Hundehaltung hat und die Hundeschule ignoriert.
Selber haben die Experten wenig bis keine Probleme mit anderen Waldnutzerinnen. Einzige Ausnahme ist Förster Riatsch, der aber von allen auch am meisten Zeit in der Natur verbringt. Und seine Herangehensweise ist professionell: In seinem Revier hat Züritrails den Höcklertrail gebaut. Ausserdem hat er als leidenschaftlicher Biker Verständnis für die Lust auf Trails. Wie er selber auf dem Velo seine Wege aussucht, will er allerdings nicht preisgeben.
Es ist auch allen Anwesenden klar, dass die schwarzen Schafe eine kleine Minderheit sind, die verhältnismässig viel Aufmerksamkeit erhält. Wanderweg-Förderer und Biker Kühne ruft alle auf, die Hohlen schonungslos zur Rede zu stellen und ihnen klarzumachen, wie sie mit ihrem Verhalten ihre Sportskollegen in ein schlechtes Licht rücken. Und alle sollten in ihrem Verein, ihrer Community Werbung für das korrekte Verhalten machen.
Entspannte unter sich
Es ist an diesem Nachmittag wenig Uneinigkeit zu spüren. Die Biker scharren nur leicht mit den Füssen, als der Jäger behauptet, die auf der Karte gestrichelt eingezeichneten Wege dürften nicht befahren werden, was nachweislich nicht stimmt. Flurin Dörig von Züritrails macht Werbung für Lenkung durch Angebote, statt Verbote. Die anderen nehmen es wohlwollend zur Kenntnis.
Würden die Teilnehmenden des Treffens für alle Weg- und Waldnutzer der Schweiz stehen, dann bräuchte es Aktionen wie Zäme Happy nicht. Aber es gibt halt doch einige, die sich über Mountainbiker aufregen. Die Medien nehmen diese Aufregung gerne auf (Tagblatt der Stadt Zürich, 21. 3. 23, 20 Minuten 5. 7. 23), und die Verwaltung und Politik müssen sich erklären. Alec Wohlgroth und Hans-Peter Kienast haben es geschafft, die Nutzer-Vertreter zu versammeln, die das Ganze entspannt sehen. Jene, die Konflikte verursachen oder überschaubare Streitereien zu einem grossen Problem aufblasen, waren an diesem Nachmittag nicht dabei.