Fall Flückiger: Swiss Olympic will falsches Doping-Verfahren nicht aufarbeiten
Flückigers Fall hat Bedeutung. Das lässt sich schon an den Beteiligten des Runden Tisches ablesen: Die höchsten Schweizer Sport- und Radsport-Funktionärinnen und -Vertreter nehmen sich der Sache an: Swiss-Olympic-Präsidentin und Alt Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold, Direktor Roger Schnegg, die für Doping-Verfahren verantwortliche Swiss Sport Integrity SSI war mit Präsident Ulrich Kurmann und Direktor Ernst König vertreten. Weiter am Tisch waren die obersten Vertreter des Schweizer Sportgerichts, von Swiss Cycling und des Bundesamts für Sport sowie die Co-Präsidentin und der Co-Präsident der Athletenkommission von Swiss Olympic. Und natürlich die unfreiwillige Hauptperson der ganzen Affäre: Mathias Flückiger, begleitet von seinem Berater Christian Rocha.
Ziel des Runden Tischs ist es, aufzuarbeiten, was im Fall Flückigers falsch gelaufen ist, und wie Abläufe und Regeln verändert werden müssen, damit sich ein so langwieriges, den Athleten zermürbendes Verfahren in der Schweiz nicht wiederholt – das aufgrund der geltenden Regeln gar nicht hätte eingeleitet werden dürfen.
Die Besprechung hat unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden, kommuniziert wird nur mit einer gemeinsamen Medienmitteilung.
Zwei Forderungen der Athleten bleiben auf der Strecke
Vereinbart haben die Beteiligten, dass sie Empfehlungen zugunsten von Verbänden, Athletinnen und Athleten erarbeiten werden, wie sie mit einer atypischen Dopingprobe umgehen können oder müssen. Ziel der Schulungen, psychologischen Unterstützung und Krisenkommunikation solle sein, eine Vorverurteilung zu verhindern, wie sie bei Math Flückiger stattgefunden hat. Das Schweizer Sportgericht gibt zudem die Ambition aus, künftig Verfahren in vier bis sechs Monaten abzuwickeln. Bei Flückiger hat es mehr als zwei Jahre gedauert – wobei dafür nicht das Schweizer Sportgericht verantwortlich war, sondern die Disziplinarkommission, die am 1. 1. 2024 vom Schweizer Sportgericht abgelöst wurde.
Bis dahin gleicht das den Forderungen, die Flückiger gestellt hat, nachdem das Verfahren gegen ihn eingestellt worden ist. Doch der Berner ist nicht mit allem durchgedrungen. So wird es keine komplette, Aufarbeitung seines Falles durch eine neutrale Stelle geben. Eine solche hatte auch die Athletenkommission von Swiss Olympic verlangt. Zudem konnten sich die Beteiligten nicht auf eine neutrale Kontrollinstanz von Swiss Sports Integrity einigen. Eine Sanktion von SSI könne vor das Sportgericht weitergezogen werden, was einer Kontrolle der Antidoping-Institution gleichkomme, argumentierte die Mehrheit am Runden Tisch.
Swiss Sports Integrity trägt nach Ansicht Flückigers die Hauptschuld daran, dass er aufgrund einer nicht verwertbaren Probe während mehr als zwei Jahren unter Doping-Verdacht stand und monatelang gesperrt war – wenn auch nur provisorisch. Diese Position vertritt er seit Monaten und daran hat der Runde Tisch nichts geändert.
Flückiger und Athletenvertreterin sind unzufrieden
Christian Rocha lässt nach dem Austausch am Runden Tisch durchblicken, dass Mathias Flückiger und er nicht zufrieden sind, dass der Fall nicht gründlich aufgearbeitet wird, die Fehler und die Verantwortlichen nicht benannt werden. Und er betont: «Es geht Math dabei nicht mehr um sich. Die Wahrscheinlichkeit, dass er noch einmal in die gleiche Situation gerät ist minimal. Dass aber andere Sportler so etwas erleben, ist durchaus möglich. Die am Runden Tisch vereinbarten Massnahmen werden das nicht verhindern.»
Jeannine Gmelin teilt als Co-Präsidentin der Athletenkommission von Swiss Olympic das Anliegen Flückigers: «Es war wichtig, dass dieser Runde Tisch zustande gekommen ist. Dass dabei aber schlussendlich der Entschluss gefasst wurde, entgegen dem Wunsch der Athletinnen, auf eine externe und unabhängige Aufarbeitung des Falles zu verzichten, stimmt mich nachdenklich.»
Dann wird die Olympiaruderin und Weltmeisterin grundsätzlich: «Das oberste Ziel von Swiss Olympic sollte in meinen Augen das Wohl der Athletinnen und Athleten sein. Es ist die Grundlage für nachhaltige und sportliche Erfolge. Swiss Olympic betont immer wieder, dass das psychische und physische Wohlbefinden aller involvierten Menschen an erster Stelle steht. Dieser Entscheid spricht eine andere Sprache.»
Die Athletenvertreterin gibt sich aber nicht geschlagen. «Wir Athletinnen sind im Kampf gegen Doping angehalten vollste Transparenz an den Tag zu legen. Diese Transparenz steht uns von den anderen Stakeholder genauso zu. Darüber setzen wir uns als Athletenkommission ein und überlegen, wie wir das Thema weiterverfolgen.»
Nach der Sommerpause (die es im Radsport nicht gibt) wollen die Beteiligten erneut zusammentreten, um zu besprechen, ob sie ihre selbst gesteckten Ziele erreicht haben oder diesen zumindest näher gekommen sind.