In Österreich begehrt das Bike-Volk auf und fordert Wegefreiheit | Ride MTB

In Österreich begehrt das Bike-Volk auf und fordert Wegefreiheit

Fahrverbot Wengernalp Salzburgrerland Österreich 2019

Die rigide Verbotspolitik in Österreichs Wäldern macht Mountainbiken zum illegalen Vergnügen. Der passionierte Biker Gerald Simon hat genug davon und startete nun ein Volksbegehren, das die Politik zum Handeln bewegen soll.

«Seit über 40 Jahren fahre ich nun schon illegal am Mountainbike. Es wäre schön, wenn sich das endlich ändert», sagt Gerald Simon, Initiator des Volksbegehrens «Mountainbiken Freies WEGERECHT», das seit dieser Woche in Österreich unterzeichnet werden kann. Simon ist es leid, dass bei jeder Feierabendrunde und jedem geradelten Familienausflug im Wald das ungute Gefühl mitfährt, womöglich von einem Förster, Jäger oder Wanderer in eine Diskussion verwickelt oder gar mit Anzeige bedroht zu werden. Denn das ist im Großteil Österreichs frustrierender Mountainbike-Alltag. Ein aus der Zeit gefallenes Forstgesetz verbietet in der Alpenrepublik Radfahren im Wald generell. Das Gesetz stammt aus den 1970ern und wird der Realität 2025 längst nicht mehr gerecht.

Für den Finanzberater und Versicherungsmakler Simon war es eine solche unliebsame Begegnung, die ihn dazu bewogen hat, sich für Wegefreiheit zu engagieren. Er radelte mit seiner Familie auf einem Forstweg, als ein Jäger auf «Gummi-Pirsch», also im Auto unterwegs, die Familie stoppte und unwirsch belehrte, dass sie hier nicht Radfahren dürfe. Am Steuer des Autos der offenbar noch minderjährige Filius des Jägers. «Wenn jemandem das Recht gegeben wird, andere zu maßregeln, wird es immer Leute geben, die das auskosten», erklärt Simon, wieso er sich nun den Aufwand antut, ein Volksbegehren zu starten.

Neuer Versuch im digitalen Zeitalter

Wobei dieser Aufwand dank digitalisierter Behörde in Österreich mittlerweile deutlich weniger wurde, als früher. Denn Simon hat es im Jahr 2007 schon einmal mit einer Bürgerinitiative zum selben Thema versucht. Damals sammelte er 21.000 Unterschriften, damit zumindest Forstwege für Radler freigegeben werden. Diese Unterschriften mussten mühsam eingeholt werden und wurden am Ende von der Politik ignoriert. Ein frustrierendes Erlebnis für den Initiator. 

Diesmal kostete es Simon 630 Euro, um die so genannte Einleitungsphase zu starten. Das bedeutet, jeder und jede in Österreich wahlberechtigte Staatsbürger*in kann das Volksbegehren bis Herbst 2026 entweder bequem und mit wenigen Clicks online, über die so genannte ID Austria, oder auf persönlich am Gemeindeamt unterzeichnen. Schafft es Simon im Zuge dieser Einleitungsphase, mindestens 8.969 Unterschriften zu sammeln - das entspricht einem Promille der Bevölkerung Österreichs - kann er gegen weitere 2.500 Euro Gebühr den Antrag auf ein Eintragungsverfahren stellen. Wird dem stattgegeben, liegt das Volksbegehren acht Tage lang auf allen Gemeinden und auch online zum Unterzeichnen auf. 

Wichtig ist dabei, dass jede Unterschrift, die bereits in der Einleitungsphase geleistet wurde, auch für die Eintragungsphase zählt. Das heißt, wer jetzt schon unterschreibt, dessen Unterstützung wird bereits gezählt und hilft Simon dabei, die nötigen 100.000 Unterschriften zu sammeln, damit das Volksbegehren im Parlament behandelt werden muss. Wobei sich der Initiator keine Illusionen hinsichtlich der im Parlament vertretenen Parteien macht: «Zwei der drei aktuellen Regierungsparteien lehnen die Wegefreiheit ab.» Und die dritte, weiß er aus Erfahrung von 2007, interessiert sich auch nur scheinbar im Wahlkampf dafür. Dennoch hofft Simon, mit einer ausreichenden Zahl an Unterschriften die Politik wachrütteln und zum Handeln bewegen zu können. 

Nachrangige Nutzung aller geeigneten Wege

Inhaltlich fordert das Volksbegehren diesmal nicht nur die Freigabe von Forststraßen, sondern wählt folgende Formulierung:

Für das Befahren mit dem geeigneten Fahrrad (Mountainbike) gelten ausschließlich bereits angelegte und verfügbare Wege, die der forstlichen Nutzung dienen oder als ausreichend breite Wege für Erholungszwecke genutzt werden. Ausreichend breit sind sie dann, wenn sie bei Benutzung für den geübten Radfahrer und für andere Nutzer Platz bieten, um sich gefahrlos zu begegnen. Es gilt für Radfahrer die nachrangige Nutzung gegenüber Fußgängern. Wer neue Wege anlegen möchte, darf dies ausschließlich mit Einwilligung des Eigentümers.

Er habe hier bewusst etwas dehnbare Begriffe gewählt. Wobei er anmerkt, bergab selbst in erster Linie auf Singletrails unterwegs zu sein: «Erwachsene Menschen sollten in der Lage sein, sich auf Wegen im Wald mit Respekt und Rücksichtnahme zu begegnen.» Das sei in der Realität auch meistens der Fall. Aber Einzelne, die Vorbehalte gegen Radler hegen, würden sich aufgrund der geltenden Gesetzeslage überlegen und daher berechtigt fühlen, Mountainbiker zurechtzuweisen. Erst durch die Gesetzesänderung sei eine Veränderung in der Kommunikation zwischen den verschiedenen Nutzergruppen möglich, ist Simon überzeugt. Wobei er im Text des Volksbegehren Mountainbikern die nachrangige Nutzung der Wege zugedacht hat, also Wanderer haben im Sinne des Miteinanders Vorrang.

Neue Situation vs. überkommene Vorbehalte

Als er 2007 seinen ersten Versuch gestartet hat, sei er von Waldeigentümer-Verbänden «massiv angegangen» worden, die keine Freude mit dem Begehr hatten. Nun hofft er, dass sich die Zeiten auch dahingehend geändert haben und der Widerstand abnimmt. Schließlich hat Radfahren in den vergangenen Jahren einen wahren Boom erlebt und auch die großen Bergsport-Verbände wie Alpenverein oder Naturfreunde haben mittlerweile erkannt, dass Mountainbiken nach Wandern der beliebteste Sommer-Bergsport in Österreich ist. Auch sie fordern und fördern die Freigabe von Wegen und auch Steigen. 

Die seit Jahrzehnten in Österreich tradierten Vorbehalte gegen das Mountainbiken erodieren schneller als die Wandersteige in Zeiten des Klimawandels. Den Hinweis auf den Naturschutz lässt Simon nicht gelten und verweist darauf, dass nur 2,9 Prozent des österreichischen Waldes sogenannte aerobe, also natürliche Waldfläche sind. Der Rest seien vom Menschen nach wirtschaftlichen Interessen geformte und mehr oder weniger stark beeinflusste Forste und Ökosysteme. Die oft ins Treffen geführte Haftungsfrage sei ohnehin ein Scheinargument, da diese für sämtliche anderen Nutzergruppen im Wald - wie Wanderer - gelöst ist und das wäre auch für Radler möglich. Die von Grundeigentümern monierte Enteignung sei ebenso substanzlos, da es nur um eine begrenzte und definierte Nutzung und nicht um Veränderung von Besitzverhältnisse gehe.

Die nun laufende Einleitungsphase sei als Marathon, nicht als Sprint zu sehen, erklärt Simon. Er hofft, das Thema fällt unter den geschätzt 800’000 aktiven Mountainbikerinnen und Mountainbikern Österreichs auf fruchtbaren Boden und viele unterstützen es. Denn sobald eine sechsstellige Zahl an Wahlberechtigten der Politik ein Thema nahelegt, wird es für die Handelnden wohl schwieriger, dies zu Gunsten einer weitaus kleineren, wenn wohl auch finanziell einflussreichen Eigentümer-Lobby zu ignorieren. Erst wenn Mountainbikern mehr Rechte zugestanden werden, werde es auch mehr Verständnis für ihre Bedürfnisse geben, ist Simon überzeugt. Und er sieht es sportlich: «Seit über 40 Jahren fahre ich illegal und notfalls mache ich das halt auch die nächsten 20 Jahre weiter so. Aber schön wäre es schon, wenn sich was ändert.»

Weiter Informationen

 


Weitere News zu diesem Artikel