Innsbruck: Wenn Trail-Bau zum Schildbürgerstreich wird | Ride MTB

Innsbruck: Wenn Trail-Bau zum Schildbürgerstreich wird

Innsbruck Hofwald Trail MTB Innsbruck

In Innsbruck verhindert die Politik seit Jahrzehnten erfolgreich, dass Mountainbiken zum sportlichen Aushängeschild der urban-alpinen Metropole wird. Die Posse um den Hofwald-Trail ist das jüngste Beispiel dieses Dilemmas. 

Innsbruck, eine pittoreske Stadt mit grosser Universität inmitten der Alpen. Rechnet man den Speckgürtel dazu, leben hier rund 300.000 Menschen. Die Bevölkerung ist überdurchschnittlich sportlich, wie aktuelle Studien belegen. In Sachen Lebenserwartung sind die Tirolerinnen in Österreich Spitzenreiterinnen, die Herren knapp Zweite. Das liegt, sagen Fachleute, mit daran, dass die Bevölkerung im alpinen Tirol sportlich aktiver ist, als in anderen Bundesländern. In Innsbruck erstellte die Universität im Auftrag der Stadt von 2020 bis 2023 den so genannten Sportentwicklungsplan und fand dabei heraus, das im Großraum 32 Prozent der Befragten «regelmässig und aktiv» Mountainbike fahren. Das entspricht in absoluten Zahlen 99.000 Menschen. 

Eine erkleckliche Zahl von Radlerinnen und Radlern. Doch leider hinkt das Angebot an legaler Infrastruktur zur Ausübung dieses Sports, der mittlerweile hinter Wandern der zweitliebste Sommerbergsport in Österreich ist, weit hinterher. Vor allem für jene, die gerne auf Trails unterwegs sind. Von Ende Mai bis Oktober steht in der Nachbargemeinde Mutters der Bikepark Innsbruck zur Verfügung. Wer lieber ohne Lift in der Natur unterwegs ist, kann zwischen Anfang April und Ende Oktober ganze 7,4 Kilometer legaler Trails in Innsbruck genießen. Eine kurze Überschlagsrechnung genügt, um zu erkennen, dass hier Angebot und Nachfrage in keinem Verhältnis stehen.

Der endlose Kampf um Trails

Legale Trails in Innsbruck umzusetzen, gleicht aber einer Herkulesaufgabe. Denn die Politik, vor allem jene Parteien rechts der Mitte, sehen im Radfahren eine Art Bedrohung. Die lokale Mountainbike-Initiative, MTB Innsbruck, hat sich dennoch diesem Ziel verschrieben und arbeitet seit Jahren mit viel Engagement und noch mehr Fingerspitzengefühl daran, Konflikte zu entschärfen und Trails zu legalisieren. Der Arzler Alm Trail ist ein Projekt, das nur dank dieser wertvollen Arbeit realisiert werden konnte. An Frühlingstagen werden dort über 1.000 Fahrten gezählt, was ihn zum wahrscheinlich meistbefahrenen Trail Österreichs macht. Doch auch hier gilt von November bis April Fahrverbot, so steht es im Forstgesetz von 1975, das Mountainbiken in Österreich generell verbietet. Die Hintergründe zu diesem aus der Zeit gefallenen Gesetz sind hier nachzulesen.

2022 sollte das Innsbrucker Trail-Netz einen 3 Kilometer langen Zuwachs bekommen. Den Hofwaldtrail im Nordwesten der Stadt. Nach jahrelangen Verhandlungen waren alle Stakeholder überzeugt, alle Genehmigungen eingeholt und das dafür nötige 120.000 Euro Budget von Seiten der Stadt bewilligt worden. Doch nur eine Woche nach Eröffnung dieses Trails, wurde er zum Großteil wieder gesperrt. Denn ein Gemeinderat, der mit einer Art Wutbürger-One-Man-Show im Stadtparlament vertreten war, wusste die Ressentiments gegenüber Mountainbikern, die auch gern pauschal als «deutsche Studenten» abgetan werden, die hier nichts zu sagen hätten, für sich zu nutzen und trat über Soziale Medien eine Kampagne gegen «die Radfahrwilden» (sic!) los.

Mountainbiken als Spielball der Politik

Als Hintergrund muss man dazu wissen, dass Innsbrucks Stadtpolitik zu dieser Zeit heillos zerstritten war. Die Viererkoalition, die eigentlich regierte, war zerbrochen. Er herrschte das so genannte freie Spiel der Kräfte. Das hieß in der Praxis, jeder gegen jeden. Im Fall des Trails war es ein damals Grüner Bürgermeister, der ihn ermöglicht hatte. Für die politischen Gegner Grund genug, dagegen zu sein. Und so sprangen mehrere Fraktionen auf den Empörungs-Zug auf. Man berief sogar einen Sonder-Gemeinderat mitten im sonst sitzungsfreien August ein, um die Sperrung und den Rückbau eines Großteils des neuen Trail zu beschließen. In Zeiten der Corona-Krise, als das Leben immer teurer wurde, befasste sich die Politik mit einem 3 Kilometer langen Trail.

Die Argumente, die im Zuge dieses politischen Streits gegen den Trail vorgebracht wurden, waren teils haarsträubend. So schaltete sich sogar ein örtlicher Pfarrgemeinderat per Unterschriftenaktion ein, weil der Trail zu nah an einem Forstweg verlaufe und diesen ein Mal kreuze, der auch von Pilgern genutzt werde, die dort zu einer kleinen Wallfahrtskirche wandern. Natürlich war der Kreuzungspunkt, wie im Trailbau üblich, so angelegt worden, dass man als Radler de facto anhalten musste, bevor man den Weg queren konnte. Aber fakten störten die Empörten nur. Die Stimmungsmache ging so weit, dass sogar eine vermeintlich nicht barrierefrei gebaute Holzbrücke für Wanderer kritisiert wurde. Dass diese Brücke lediglich als Zugang zu einem sehr abschüssigen, verblockten und absolut nicht barrierefreien Wandersteig führte, blieb unerwähnt.

Die Empörten verschwinden, der Schaden bleibt

Aber im postfaktischen Zeitalter genügt es, einfach nur laut genug zu schreien, um gehört zu werden. Und so feierten die Empörten einen zweifelhaften Sieg bei der besagten Sondersitzung des Gemeinderates. Man beschloss mehrheitlich, den Trail rückzubauen, sprich abzureissen, nachdem er eine ganze Woche geöffnet war. Aber es wurde den enttäuschten Mountainbikern auch eine Alternativroute versprochen, deren Bau man umgehend in Angriff nehmen werden.

Die Aufregung war bald verflogen, die Empörten kümmerten sich wieder um den Erhalt bedrohter Parkplätze in der Innenstadt und wetterten gegen 30er-Zonen vor Schulen. Der untere Teil des Hofwaldtrails blieb derweil bestehen, die oberen zwei Drittel wurden auf politische Anweisung hin wieder weggebaggert. Das kostete nochmals 6.200 Euro, nur zum Zerstören. Doch aus der versprochenen Alternativroute wurde nichts, denn ein Gutachten untersagte wegen seltener Vogelarten, dort einen Trail zu bauen. Anfang 2024 wurde in Innsbruck dann ein neuer Gemeinderat gewählt. Der Wutbürger-Mandatar erhielt nicht mehr genug Stimmen und verschwand in der politischen Versenkung. Eine neue Stadtregierung wurde gebildet und das Kriegsbeil begraben. Und im vergangenen Herbst wurde am Hofwaldtrail plötzlich wieder gebaut. Und zwar dort, wo er schon einmal war.

Happy End mit bitterem Beigeschmack

Man könnte also sagen, die Geschichte hat nun endlich ein Happy End für Mountainbiker. Doch es ist ein Erfolg mit bitterem Beigeschmack. Denn der Wiederaufbau des zerstörten Trails hat nun erneut 65.000 Euro gekostet, die aus Steuergeld bezahlt werden. Besonders skurril daran ist, dass der Trail großteils der ursprünglichen Streckenführung entspricht. Was aber neu ist, sind nun zwei Kreuzungen mit dem angeblich von Pilgern genutzten Forstweg, anstatt nur einer wie davor. Natürlich sind auch die beiden neuen Kreuzungen so gebaut worden, dass sie eine für alle Waldnutzer gefahrlose Querung ermöglichen und die Radler quasi zum Stillstand kommen müssen, bevor sie den Weg kreuzen können.

Und so wird das legale Innsbrucker Streckennetz dank Hofwaldtrail ab April 2025 auf stolze 10,4 Kilometer anwachsen. Für die Hauptstadt der Alpen eine echte Benchmark. Wenn das so weitergeht, holt man irgendwann noch Rechnitz im Südburgenland ein. Die 3.000-Einwohner Gemeinde verfügt über genau einen Berg mit knapp 900 Metern Höhe und hat dort mehr als 42 Kilometer legaler Singletrails geschaffen, die ganzjährig befahren werden dürfen. In Tirol aber, wo man problemlos Bagger auf Gletschern auffährt, um den Start der Wintersaison im Oktober zu ermöglichen, wird politisch gegen jeden Meter Mountainbike-Trail Stimmung gemacht.


Passende Ride-Spotguides

Alles Wissenswerte zu Innsbruck gibts im Ride-Spotguide für Innsbruck.

Weitere News zu diesem Artikel