Lecomte und Pidcock sind in Crans-Montana eine Klasse für sich
Nach dem Start ins Rennen der Elite Frauen stürmt Loana Lecomte bereits in der Startrunde davon. In der ersten grossen Runde versucht Puck Pieterse den Anschluss herzustellen, Alessandra Keller und Kate Courtney liegen knapp dahinter. Es bilden sich bald grössere Abstände zwischen den einzelnen Fahrerinnen. Nach einer Runde klafft bereits eine Lücke von einer Minute von Alessandra Keller auf Position drei, auf Laura Stigger (AUT) auf der Vier.
Doch Lecomtes Führung ist nicht in Stein gemeisselt. Während Pieterse etwas zurückfällt, schliesst Keller zu Beginn der dritten Runde die Lücke. Doch die Fahrt Kellers gleicht einer Handorgel. Während Lecomte regelmässig schwierige Anstiege fährt, springt Keller oft vom Rad und absolviert diese zu Fuss. Das hat zur Folge, dass sie immer wieder etwas an Boden verliert, den sie wieder versucht gutzumachen.
Bald aber kann Keller die Lücken nicht mehr schliessen, die Positionen pendeln sich nun ein. Hinter Stigger, die nach wie vor auf Position vier liegt, kämpfen mit Nicole Koller und Linda Indergand zwei Schweizerinnen auf den aussichtsreichen Positionen fünf und sechs, fallen aber später auf sechs und acht zurück, während die Britin Evie Richards stark aufholt und in die Podiumsränge vorstösst.
Die letzte Runde bringt an der Spitze keine Veränderungen mehr. Nach einem zähen Frühling gewinnt Loana Lecomte erstmals wieder ein Weltcup-Rennen – ihr zehntes – und das in überzeugender Manier. «Dieser Sieg fühlt sich grossartig an, vor allem, da ich lange Zeit an mir zweifelte, als es nicht lief. Es ist in solchen Situationen schwer, weiterhin an sein Ziel zu glauben und, dass der Trainingsweg der Richtige ist.»
Alessandra Keller vermag ihren Abstand auf Puck Pieterse zu verwalten und lässt sich vom heimischen Publikum für Rang zwei feiern und sagt: «Ich konzentrierte mich eigentlich nur auf mich, fuhr meinen Rhythmus und versuchte mich dauernd an die schnell ändernden Linien zu adaptieren, was mir gut gelang. Aber ich hätte nicht gedacht, dass es derart gut läuft.»
Laura Stigger und Evie Richards sichern sich die Plätze vier und fünf. Wenn es auch nichts mit dem ersten Podiumsplatz wird, freut sich Nicole Koller riesig über Platz sechs, der zugleich eine neue Bestleistung für die Schweizerin bedeutet. «Vor dem Heimpublikum so gut zu fahren ist grossartig, gerade auch, da ich in den letzten Wochen mental zu kämpfen hatte. Entscheidend war hier auch, dass ich wieder Spass am Sport habe und nicht das Resultat im Vordergrund stand. Die Strecke stellte eine Herausforderung dar, aber es hat auch mega Spass gemacht!»
Hinter Koller fährt ihre dänische Team-Kollegin Caroline Bohe auf Rang sieben, während Linda Indergand mit Rang acht ihre Saisonbestleistung feiert. Den Heimvorteil nutzt auch Sina Frei und zeigt mit Rang neun ein beachtliches Comeback. Sie konnte aufgrund einer Handverletzung eine Weile nicht ins Renngeschehen eingreifen.
Pidcock solo – grosse Spannung um Platz drei
Der Start ins Männerrennen verläuft verhältnismässig geordnet, angesichts der 180-Grad-Kurve nach der Startgerade. Eingangs erster grosser Runde befinden sich alle Favoriten in der Spitzengruppe, inklusive Mathias Flückiger, der zum Kräftesparen das Short Track ausliess und eine schlechtere Startposition in Kauf nahm. Doch erstmal reisst Julian Schelb (GER) eine Lücke, während sich einige Sekunden zurück die Verfolgergruppe mit Schelbs Landsmann Max Brandl, Nino Schurter, Mathias Flückiger und Tom Pidcock.
Doch Schelb vermag seine Pace nicht zu halten und auch Brandl fällt zurück, während Flückiger, Pidcock und Schurter die neuen Führenden sind. Aber auch hier tun sich bald Lücken auf, und die beiden Schweizer kurz vor Eingang der dritten Runden ebenfalls das Hinterrad des Olympiasiegers verlieren. Zum allem Unglück handelt sich Schurter weiteren Rückstand ein, als er bergab in einer Rille hängen bleibt und stürzt. Der Weltcup-Rekordsieger nimmt das Rennen unmittelbar hinter Schelb auf, der nun an dritter Stelle liegt. Kaum in den Tritt gefunden, stürzt Schurter erneut. Dieses Mal im Rock Garden.
Schurter scheint Mühe zu haben, Fokus und Rhythmus wieder zu erlangen. Luca Schwarzbauer und Lars Forster stellen eingangs vierter Runde den Anschluss zu Schurter her. Doch auch Pidcock gelingt keine perfekte Fahrt und stürzt in Runde vier bereits zum zweiten Mal, allerdings folgenlos. Und auch Lars Forster geht zu Boden, hingegen unsanft, während Max Brandl nach einem heftigen Sturz sogar aus dem Rennen geht.
Tom Pidcock zieht nun einsam seine Runden, Mathias Flückiger liegt nach wie vor auf Rang zwei und hält den Rückstand konstant. Derweil mischt sich die Verfolgergruppe neu, und besteht nun aus Schurter, Schelb und dem Italiener Luca Braidot, während Luca Schwarzbauer hinter den zweiten Italiener Nadir Colledani zurückfällt.
Die letzte Runde geht in die finale Phase und Pidcock fährt ungefährdet zum Sieg, während Flückiger vom heimischen Publikum für Platz zwei geehrt wird. «Zum ersten Mal in dieser Saison hat es sich gut angefühlt. Ich konnte einfach wieder mein Tempo fahren, auf mich hören und nicht darauf was andere reden! Ich bin sehr froh und dankbar an alle, die an mich geglaubt haben. Um so schöner ist es das am Heimweltcup zu erleben. Es war ein schönes Publikum», freut sich Flückiger. Pidcock sagt: «Auf den ersten Runden war es für mich schwierig, meinen Rhythmus zu finden. Als ich ihn hatte, konnte ich eine Lücke reissen und etwas Vorsprung herausfahren, wurde dann aber nachlässig. Nach meinem Sturz konzentrierte ich mich wieder besser, auch wegen meinem Team.» Wegen des höheren Verletzungsrisikos bekundete das Team Ineos-Grenadiers keine Freude an Pidcocks Entscheidung in Crans-Montana zu starten.
Hinter den beiden Erstplatzierten beginnt der Kampf um Platz drei. In diesem scheint Schelb nun das schwächste Glied, im Gegensatz Schurter, der nun für Platz drei seine Körner abfeuert. Doch Braidot lässt sich nicht abschütteln und schnappt sich auf den letzten Metern Rang drei, Schelb feiert Platz fünf, sein bestes Karriereresultat.
«Eine Runde lang hatte ich gefühlt nur Stürze», schmunzelt Schurter. «Es sind nicht meine Lieblingsbedingungen und ich hatte auch nicht die besten Beine. Ich wollte mein Rennen zu fahren und versuchte gar nicht erst mit Pidcock mitzugehen. Die Stürze machten es dann umso schwerer. Dass ich trotzdem Vierter wurde, zeigt, dass mein Fahrplan für Paris stimmt.
Luca Schwarzbauer (GER) hält seinen siebten Platz, und Lars Forster kann sich wieder fangen und schliesst auf dem sehr guten achten Rang ab. Filippo Colombo belegt Platz zehn. Luca Schätti (SUI) fährt mit Rang zwölf sein bestes Weltcup-Resultat ein, und mit David List auf Platz 13 belegt ein weiterer Deutscher ein bemerkenswertes Resultat. Und auch Timon Rüegg kann mit Rang 17 seine beste Weltcup-Leistung verbessern.
Les Gets ohne Schurter
Der nächste Cross-Country-Weltcup findet am 07. Juli in Les Gets statt. Nino Schurter verzichtet auf die Frankreich-Runde und bereitet sich in Ruhe auf die Olympischen Spiele in Paris vor.
Pieterse und Pidcock dominieren die Short-Track-Rennen
Die Short-Track-Rennen im Rahmen des Weltcups in Crans-Montana gleichen vielmehr kurzen Cross-Country-Rennen. Und bald bildet sich mit Loana Lecomte (FRA), Chiara Teocchi (ITA), Puck Pieterse und Alessandra Keller ein Führungsquartett. Pieterse stets vorne mit dabei, kann sich aber nicht durchsetzen. Pieterses Landsfrau Anne Tauber stösst zur Spitzengruppe, und sie ist es auch, die es im langen Anstieg versucht.
Dem Tempo kann vorerst nur Pieterse folgen, die am Ende die Führung übernimmt und einige Sekunden herausfährt. Dies reicht ihr, trotz fahrtechnischen Schwierigkeiten den Sieg einzufahren. Tauber muss am Ende auch noch Platz zwei abgeben, den sich Alessandra Keller schnappt.
Trotz Pech zum Sieg
Das Rennen der Männer startet ohne den Weltcup-Führenden Victor Koretzky. Der Franzose lässt das Rennen krankheitshalber aus. Auch Mathias Flückiger verzichtet, jedoch aus taktischen Gründen. Neben den Local Heroes wie Nino Schurter, Filippo Colombo oder Lars Forster, liegen die Augen auch auf Tom Pidcock. Der Brite rutscht nach dem Start in der zweiten Reihe aus dem Pedal aus und wird nach hinten durchgereicht. Auf seiner Aufholjagd kollidiert er noch mit einem Konkurrenten, doch weg ist der Olympiasieger keinesfalls.
Uneinigkeit an der Spitze erlaubt es Pidcock in der dritten und vierten Runde, sich wieder den Anschluss herzustellen. Als er zu Beginn der vorletzten Runde zum ersten Mal von vorne attackiert, kann nur das Scott-Sram-Duo Nino Schurter und Filippo Colombo mit Pidcocks Tempo mithalten, bevor sein Landsmann Charlie Aldridge sich anschliesst. Doch im Finale kommt ein anderer Fahrer auf. Der Deutsche, Julian Schelb zieht an Aldrigde vorbei und fährt hinter Pidcock auf Rang zwei. Dritter wird der Italiener Luca Braidot. Mit Max Brandl fährt ein weiterer Deutscher in die Top-5, unmittelbar vor dem Schweizer Trio mit Schurter, Colombo und Marcel Guerrini.
Michal Cerveny / WHOOP UCI Mountain Bike World Series