Roland Zegg: «Biker sind nicht so lukrativ, wie es aussieht.»
Der Winter ist die Zeit, in der Bergbahnen Geld verdienen. Rentiert der Winter nicht, ist auch im Sommer bald Schluss. Stimmt das?
Das kann man so absolut nicht feststellen. Richtig ist: Im Unterschied zu Ausflugsbahnen wie Jungfrau oder Titlis, machen die meisten Bergbahnen über 90 Prozent ihres Umsatzes im Winter, obwohl fast alle im Sommer auch laufen. Aber weil die regionale Wirtschaft bislang stark vom Wintersport abhängt, werden finanziell angeschlagene Bahnen aufgefangen. Der Betrieb wird saniert und weitergeführt, auch wenn er nicht mehr kostendeckend ist.
Wer deckt die Finanzierungslücke?
Die Lücke decken Gemeinden, Kantone, Tourismusunternehmen, viele regionale Unternehmen und immer wieder auch Private – alle, die darauf angewiesen sind, dass der Wintersportbetrieb möglich ist. Beispielsweise würden ohne Beiträge des Kantons Glarus die Bahnen in Braunwald und Elm bald nicht mehr laufen. Generell nimmt die öffentliche Finanzierung der Bergbahnen zu.
Skigebiete müssen immer mehr in die Beschneiung investieren. Damit wird die Kostendeckung noch schwieriger. Können sie sich aus dieser Zwickmühle noch befreien?
Das ist tatsächlich eine Zwickmühle. Vor allem weniger hoch gelegene Gebiete geraten in eine starke Kosten-Ertragsschere. Die müssen sich nach Einkommensmöglichkeiten umsehen, die Winter- und Ski-unabhängig sind.
Welchen Beitrag kann da der Mountainbike-Tourismus leisten?
Wie viel die Mountainbiker beitragen, hängt davon ab, wie stark sich die Destination darauf ausrichtet. Lenzerheide erwirtschaftet im Sommer interessante Erträge – auch weil da Tageskarten verkauft werden. Die meisten Mountainbiker benutzen die Bergbahnen mehrmals im Gegensatz zu Wanderern und Ausflüglern. Trotzdem ist der Ertrag pro Gast im Sommer tiefer. Die Ausnahme sind Ausflugsbahnen wie Titlis, Jungfraujoch und ähnliche. Das bedeutet, selbst wenn im Sommer gleich viele Leute anreisen würden wie im Winter – was fast nirgends der Fall ist – wären die Erträge im Sommer viel tiefer.
Ist es teurer, Skifahrer zu transportieren oder Mountainbiker?
Der Skibetrieb, also das Beschneien, Präparieren und Absichern der Pisten, ist viel teurer als der Transport von Mountainbikern, selbst wenn dafür Trails gebaut und gepflegt werden müssen.
Wie lukrativ sind Biker für Bergbahnen?
Nicht so lukrativ wie es vielleicht aussieht. Der Bau und Unterhalt von Trails ist auch teuer. Zudem ist die Transportkapazität mit Mountainbikern viel tiefer: Acht Skifahrer brauchen in einer Gondel so viel Platz wie zwei bis drei Biker. Das führt dazu, dass beispielsweise die Rothornbahn in Lenzerheide mit den Mountainbikern zu gewissen Zeiten an ihrer Kapazitätsgrenze läuft, und dabei nur ein Drittel bis ein Viertel so viele Personen befördern kann, wie sie das im Skibetrieb täte. Bahnen, die im Business mit Mountainbikern die Betriebskosten decken, haben schon viel erreicht.
Ist im Mountainbike-Segment für Bergbahnen noch Wachstumspotenzial?
Über die ganze Schweiz gesehen, sehe ich kein grosses Wachstumspotenzial mehr. Es sind schon relativ viele Anbieter in diesem Markt. Zusätzliche Marktteilnehmer werden kaum so viele zusätzliche Kunden anziehen, wie es bräuchte. Es läuft also eher auf Umverteilung des bestehenden Kuchens hinaus. Entscheidend für die einzelne Destination ist aber, ob sie es schafft, sich zu spezialisieren und ein Alleinstellungsmerkmal zu entwickeln. Wenn ja, dann gibt es noch Luft nach oben.
Im Mountainbike-Markt sind E-Bikes die Umsatztreiber. Könnten sie das auch für Bergbahnen sein?
Das ist im Moment noch völlig unklar. Die Bergbahnen haben die E-Biker im Auge. Die Bergbahnen haben die E-Biker im Auge, sind sich aber auch bewusst, dass neue Ansätze gefragt sind, wie die Bergbahnen mit den E-Bikern ins Geschäft kommen können.
Würde es sich für gewisse Gebiete nicht lohnen, den Skibetrieb einzustellen und so die Kosten massiv zu reduzieren? Dann bräuchten sie weniger Gäste, um ihre Kosten zu decken.
Das würde einen massiven Verlust an Wertschöpfung für eine ganze Region bedeuten. Es würden weniger Gäste anreisen, es gäbe zu viele Hotelbetten, die Skischule müsste schliessen. Es würden Arbeitsplätze verschwinden. Trotzdem müssen sich einige Gebiete heute schon überlegen, ob sie sich nicht auf die Sommersaison konzentrieren wollen und Skifahren nur noch anbieten, wenn die Verhältnisse es zulassen. Einige kleine Gebiete tun das bereits. Ein weiterer Nachteil dieses Modells ist aber, dass der Betrieb einer Bahn gleich viel kostet, ob sie viele oder wenige Personen befördert. Der Unterhalt, die Erneuerung, das Einhalten der Sicherheitsstandards ist enorm teuer und mit hohen Investitionen verbunden.
Alle Bahnen kämpfen darum, genügend Gäste anzuziehen. Stehen in den Schweizer Alpen zu viele Bahnen?
Das ist ganz klar so.
In der freien Marktwirtschaft müssten Angebote, für die es zu wenig Nachfrage gibt eigentlich verschwinden. Wird das im Bergbahnsektor passieren?
Bislang wurde jedes Gebiet in finanzieller Schieflage aufgefangen und weiterbetrieben. Abgesehen von ganz kleinen Skigebieten ist noch kein einziges aufgegeben worden. Aber der Druck wird grösser. Der reine Sommerbetrieb wird dann doch wieder zum Thema.
Die Zukunft der Bergbahnen wird oft mit einem Überlebenskampf gleichgesetzt. Gibt es auch Gebiete, die in den nächsten Jahren mit wachsenden Gewinnen rechnen dürfen?
Höher gelegene Gebiete, die für eine klare Winterkompetenz stehen, können mit einem moderaten Wachstum rechnen. Gebiete, die auch attraktive Sommer- und Ausflugsangebote haben, wie zum Beispiel der Titlis, die Jungfrauregion und Zermatt haben am meisten Potenzial.
Braucht es auch Mountainbike-Angebote, um im Sommer zu wachsen?
Dies kann helfen, vom Winter- auf einen Jahresbetrieb umzustellen, wenn man diesen Markt für die Bergbahnen auch nicht überschätzen darf. Es sei denn, sie finden einen Weg, für E-Biker attraktiv zu werden.
Der gebürtige Samnauner Roland Zegg gründete 1987 die grischconsulta AG in Chur. Sie berät Bergbahnen, Destinationen und Gemeinden in den Alpenländern. Zegg ist Autor diverser Publikationen zu touristischen Fragen, Vizepräsident der Zermatt Bergbahnen AG und Verwaltungsrat der Bergbahnen Destination Gstaad AG. Der Maschinenbauingenieur und Betriebswirtschafter hat zudem ibex fairstay initiiert, ein Schweizer Label für Nachhaltigkeit im Tourismus. Roland Zegg referiert Ride-Kongress 2018 zum Thema «Die Zukunft der Bergbahnen und welche Rolle dabei die Mountainbiker spielen»