Sind die fetten Jahre wirklich vorbei? | Ride MTB

Sind die fetten Jahre wirklich vorbei?

Christian Müller, CSO/CTO bei FLYER AG

Ride: Wie ist die heutige Situation mit übervollen Lagern entstanden?

Christian Müller, CSO/CTO bei Flyer AG: Die Kumulation von Supply Chain-Themen und Transportproblemen mit dem Ausbruch des Ukraine Kriegs und der dadurch ausgelösten Inflation war definitiv zu viel für die Konsumstimmung, die bereits im vergangenen Sommer eingebrochen ist. Die Verkaufszahlen im Handel waren im Jahresvergleich 2022 gleich oder eher tiefer als 2021, die Vororder-Bestellungen waren aber teilweise über 50 % höher für das Jahr 2022 als im Vorjahr.

Kumulieren sich jetzt also die Produktionsvolumen mehrerer Jahre?

Aufgrund von Problemen in der Lieferkette und ausserordentlich optimistischen Vororder-Bestellungen im Jahr 2021 begann sich seit Sommer 2022 in der ganzen Lieferkette ein Rückstau zu bilden, der zu vollen Lagern und Verzögerungen bei den Auslieferungen geführt hat. Die Folge davon ist, dass jetzt nach wie vor noch für 2022 geplante Bikes produziert und ausgeliefert werden, während gleichzeitig das Produktionsjahr 2023 richtig Schwung aufnimmt. Das ist bei Flyer und auch vielen anderen Herstellern so.

Wie schaut es konkret bei Flyer aus?

Auch bei uns im Unternehmen sind die Lager gefüllt, sowohl mit fertig montieren E-Bikes als auch mit Komponenten. Trotzdem hat sich die Situation in der Lieferkette noch nicht entschärft und wir warten teilweise immer noch auf Komponenten, um Bikes fertig montieren zu können. Es ist nach wie vor viel Flexibilität gefragt, um die Produktion aufrecht erhalten zu können.

Wo könnte es eng werden?

Die Finanzierung wird in den kommenden 6 bis 12 Monaten eine wichtige Rolle spielen - quer durch die ganze Supply Chain hindurch bis zum Handel. Erste Folgen von Finanzierungsproblemen wurden in der Presse bereits genannt, weitere werden folgen.

Gibt es auch Lichtblicke?

Auf der Seite der Supply Chain zeichnet sich aber eine deutliche Entspannung ab und wir rechnen mit einer Normalisierung der Lieferzeiten innerhalb der nächsten 6 bis 9 Monate. Die Industrie allgemein hat gut reagiert, frühzeitig die Handbremse gezogen und den Nachfluss an Ware stark gedrosselt.

Wir gehen davon aus, dass sich mit dem Frühling die Nachfrage wieder verstärkt und die Abverkäufe damit zunehmen. Denn die Nachfrage nach E-Bikes ist nach wie vor vorhanden. 2021 war ein absolutes Ausnahmejahr, was das Wachstum der Nachfrage betrifft. 2022 hat sich die Situation wieder normalisiert und das Wachstum ist nicht mehr so hoch wie im Vorjahr. Die Nachfrage nach E-Bikes nimmt aber immer noch stärker zu als bei Fahrrädern ohne Motor und ist immer noch auf einem höheren Niveau als in der Zeit vor der Corona Pandemie. Wir rechnen auch für 2023 und 2024 damit, dass das Fahrrad und speziell das E-Bike nach wie vor angesagte und ganz dem Zeitgeist entsprechende Produkte für Freizeit und Mobilität bleiben.