Wie weiter am Deister? Das Drama nimmt eine Wende
Deisterfreunde bereiten Trail-Rückbau vor
Der Verein Deisterfreunde erhält für seine drei Trails von der Umweltbehörde der Region Hannover keine neue Bewilligung mehr. Die Details zur Affäre gibts in Teil 1 dieser Reportage.
Das Umweltdezernat verlangt von den Mountainbikern eine Kompensation für Trail-Ausbauten – eigentlich Wiederherstellungen und Updates – die sie vor Jahren vorgenommen haben. Obschon die Mountainbiker die Argumentation der Behörde nicht akzeptieren, haben sie Aufforstungsmassnahmen als Kompensation vorgeschlagen. Diese bezeichnet Umweltdezernent Jens Palandt aber als «fachlich ungeeignet». Er lade die Deisterfreunde ein, mit ihm zusammen nach Lösungen zu suchen.
Das Misstrauen aufseiten der organisierten Mountainbikerinnen ist jedoch gross. Mark Wolf erklärt: «Herr Palandt spricht da häufig mit anderen darüber, dass er mit uns im Dialog sei oder kommen wolle. Allerdings will er unsere Argumente nicht hören und Angebote zum ehrlichen Dialog gibt es nicht.»
Philipp Westphal, Sprecher des Umweltamts, hält dagegen, dass Jens Palandt zweimal angeboten habe, zum Beispiel auf einer Mitgliederversammlung der Deisterfreunde, die Rechtsgrundlage vorzustellen sowie Rede und Antwort zu stehen. «Das Angebot wurde nicht angenommen», schliesst Westphal.
Wolf und seine Vereinskollegen entgegnen, dass sie zu einer weiteren Zusammenarbeit bereit wären, wenn sie eine langfristige Perspektive bekämen. Anders gesagt: Um weiter ein Provisorium zu betreiben, das jederzeit von den Behörden aufgehoben werden kann, machen sie nicht mit.
Dass die Deisterfreunde nicht mehr sonderlich gesprächsbereit sind, hat auch damit zu tun, dass sie sich auf das Ende des legalen Trail-Angebots in der Region und ihrer Vereinsaktivitäten vorbereiten. «Wir werden jeden Euro unseres Vereinsvermögens brauchen, um die Trails zurückzubauen», erklärt Wolf und verweist darauf, dass die Vorstandsmitglieder mit ihrem Privatvermögen hafteten, wenn der Verein wegen der Forderungen insolvent würde.
Der NDR hat der Situation am Deister ebenfalls eine Reportage gewidmet. Nein, der Pfeil in der Bildmitte ist leider nicht aktiv.
Happy End oder Murks am Deister?
Das Umweltdezernat teilt mit, es werde auch 2026 ein naturverträgliches offizielles Mountainbike-Angebot geben. Die Behörde arbeite bereits daran, wie dieses aussehen werde. Tatsächlich existieren verschiedene Arbeitsgruppen zur Zukunft des Deister, darunter eine mit dem Titel «Zonieren», in der es auch um neue «Downhill-Trails» geht. Worunter man sich freilich keine Downhill-Rennstrecken vorstellen darf, sondern breitensporttaugliche, gebaute Singletrails wie die bisherigen.
Die Deisterfreunde erklären gegenüber Ride, sie würden zu den wichtigen Besprechungen, etwa zum Runden Tisch «Zonieren» nicht eingeladen. Stattdessen nehme der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club ADFC teil.
Die Deisterfreunde würden zu allen Besprechungen eingeladen, vertritt Westphal auch in dieser Frage eine andere Position. Die Arbeitsgruppe «Zonierungskonzept» sei aber ohne Vertretung der Mountainbikerinnen gestartet, weil zuerst eigentums- und naturschutzrechtliche Aspekte zu klären gewesen seien. Die Mountainbiker würden im nächsten Schritt dazu kommen, so der Sprecher des Umweltamts.
Klar ist, die Deisterfreunde waren nicht dabei, ein Vertreter des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs hingegen schon. Der ADFC ist die Interessenvertretung der Radfahrenden in Deutschland und hat bundesweit nach eigener Angabe über 230’000 Mitglieder. Er engagiert sich primär für den Alltags-Radverkehr, daneben für Radreise-Angebote. Als Fach-Organisation für Mountainbike-Infrastruktur ist der ADFC bislang nicht in Erscheinung getreten.
Wer vertritt die Mountainbiker?
Ride konnte Kontakt zu Christian Stahl aufnehmen, der als Vertreter des ADFC an den Zonierungsbesprechungen teilgenommen hat. Er betont, dass der ADFC nicht der Vertreter der Mountainbiker in der Region Hannover sei. Auch er wundert sich, dass die Deisterfreunde nicht zu den Treffen eingeladen werden.
Stahl schreibt, dass die Niedersächsischen Landesforste einige Gebiete präsentiert hätten, die für «Downhill-Strecken» zur Verfügung gestellt werden könnten. Ob sich diese eignen, solle bei einer Begehung geklärt werden. Stahl bezeichnet es als «spassig», dass dazu aber keine Vertreter der Downhill-Biker eingeladen würden. Die Begehung sei dann aus Zeitgründen nicht zustande gekommen.
Inzwischen hat die Region Hannover den Mountainbike-Verein Team Springe zum Vertreter der Bike Community erkoren. Ein Verein, der gemäss seiner Website rund 30 Mitglieder zählt, die vor allem Touren fahren und an Cross-Country-Rennen teilnehmen. Ride hat versucht, vom Team Springe, benannt nach der Stadt Springe am Deister, eine Stellungnahme zu erhalten. Der Verein hat bis jetzt nicht reagiert.
«Teile und herrsche», kommentiert Mark Wolf, es gehe offenbar darum, die Deisterfreunde auszuschliessen und eine andere Gruppe als Vertretung der Mountainbike Community zu etablieren. Die Behörde stellt sich auf den Standpunkt, dass die Deisterfreunde willkommen seien und eingeladen würden, sich jedoch entschieden hätten, nicht teilzunehmen.
Hannover will Provisorium verlängern
Im Dezember erklärt die Region Hannover, dass sie auch 2026 legale Trails am Deister haben wolle. Ziel seien naturbelassene Singletrails ausserhalb von Naturschutzgebieten, weil dort solche Strecken nicht dauerhaft bewilligt werden könnten – womit die Deisterfreunde seit Jahren kämpfen.
Mittelfristig will die Region Hannover gemäss ihrer Mitteilung von Anfang September sogar einen Trailpark realisieren. Weil aber weder neue Trails und schon gar kein Trailpark bis Ende 2025 realisiert werden könnten, gedenke die Behörde, die Ausnahmebewilligung für die Strecken der Deisterfreunde zu verlängern.
Ein Happy End ist das nicht, sondern eine Verlängerung der verkorksten Situation am Hausberg von Hannover. Allein in der Stadt gibt es gemäss gesamtdeutschen Durchschnitt 50’000 Menschen, die regelmässig Mountainbike fahren. Laut Mark Wolf sind es sogar eine halbe Million Biker, die regelmässig am Deister fahren. Für sie reichen schon die drei Trails der Deisterfreunde nicht. Trotzdem hat sich die Region entscheiden zuerst gegen das einzige Angebot vorzugehen, das es am Deister gibt.