Mama fährt Weltcup-Rekord und Neuling siegt auf Ansage
Die sechsfache Downhill-Weltmeisterin Rachel Atherton hatte alles erreicht und war eigentlich nicht mehr im Rennsport aktiv, seit sie sich im Jahr 2019 beim Training in Les Gets die Achillessehne gerissen hatte. Nach der Genesung von der Verletzung, der Pandemie und der effektiven Absage der Saison 2020 und der Geburt ihrer Tochter Arna im August 2021 sah es mehr als drei Jahre lang so aus, als ob Rachel mit dem Rennsport fertig wäre. Doch im Juli 2022 kehrte sie in letzter Minute für ein einziges Rennen in den Weltcup zurück, das ebenfalls in Lenzerheide stattfand, einer von Rachels Lieblingsstrecken. Damals sagte sie: «Ich bin noch lange nicht wieder voll fit, aber ich wollte mich messen und zeigen, dass man ein Baby haben und trotzdem Sport treiben kann. Ich wollte sehen, ob es überhaupt noch Spass macht und ob es mit einem Baby möglich ist.» Mit dem sechsten Platz an diesem Tag war Rachel nur knapp vom Podium entfernt.
Knapp ein Jahr später kehrt sie wieder nach Lenzerheide zurück, doch kämpft im Vorfeld des Rennens damit, Selbstvertrauen aufzubauen: «Es ist ein ganz anderes Ding, einen Weltcup zu fahren, als zu Hause im Dyfi Bike Park, wo ich die Linien in- und auswendig kenne.» Doch der zweite Platz in der Qualifikation ist für Atherton bereits ein grosser Erfolg. Nur Camille Balanche kann Rachels Zeit unterbieten. Im Halbfinale sieht es nicht anders aus.
Die 35-Jährige hat damit aber Lunte gerochen. Sie liefert eine sehr ruhige, aber schnelle Fahrt ab und übernimmt die Führung von der Deutschen Nina Hoffmann. Nur die letztjährige Weltcup-Gesamtsiegerin und grosse Favoritin in Lenzerheide, Camille Balanche geht noch auf der Strecke. Die Uhr der Schweizerin bleibt trotz sehr guter Fahrt eine halbe Sekunde später stehen und Rachel Atherton gewinnt so zum 40. Mal ein Weltcup-Rennen. «Ich kann es gar nicht glauben, vor dem Rennen hatte ich wirklich keine Ahnung, ob ich mich überhaupt qualifizieren würde, denn das neue Format ist hart und ich bin erschöpft», freut sich Atherton.
Balanche sagt zu ihrem Renntag: «Ich hatte drei konstant gute Läufe. Das war wirklich toll. Natürlich hätte ich lieber gewonnen, aber Rachel war heute schneller. Ich habe getan, was ich konnte, und drei Minuten und acht Sekunden sind eine Zeit, mit der ich zufrieden bin. Darauf bin ich stolz. Letztes Jahr war ich schon Zweiter, das fuchst mich schon etwas. Aber auf dem Podium zu stehen ist grossartig.»
Fahren, um zu gewinnen
Im Rennen der Männer hält der Neuseeländer Lachlan Stevens-McNab (THE UNION - FORGED BY STEEL CITY MEDIA) lange Zeit während des Halbfinales den Hot Seat warm. Der amtierende Weltmeister Loïc Bruni (SPECIALIZED GRAVITY) holt sich dann die ersten Punkte und überquerte die Ziellinie 0.161 Sekunden vor dem Österreicher Andreas Kolb (CONTINENTAL ATHERTON). Loris Vergier (TREK FACTORY RACING GRAVITY) komplettiert das Podium als Dritter. Der amtierende Weltcup-Sieger Amaury Pierron (COMMENCAL-MUC OFF BY RIDING ADDICTION) ist nach einem Sturz am Vortag nicht am Start.
Im Finale holt sich Jordan Williams (SPECIALIZED GRAVITY) den ersten Abfahrtssieg des Jahres vor dem Franzosen Loris Vergier und dem aktuellen UCI-Weltmeister Loïc Bruni. Bemerkenswert ist, dass es für den jungen Briten das erste Rennen in der Elite-Kategorie ist und er rund eine Woche zuvor ankündigte, dass er an den Start gehen werde, um zu gewinnen. Als es dann tatsächlich klappt, ist Williams dann etwas überwältigt: «Das ist einfach der Wahnsinn. Lenzerheide gehört nicht zu meinen Lieblingsstrecken, also bin ich einfach so gut gefahren, wie ich konnte. Ich weiss nicht, woher ich das Tempo genommen habe. Sicherlich haben mir die schnellen Fahrer bei den Junioren geholfen, bevor ich in die Elite kam. Ich habe mich nicht darauf konzentriert, zu gewinnen oder hart zu fahren, sondern habe einfach versucht, mein bestes Rennen zu fahren und zu sehen, wo ich lande.»
Williams Team-Kollege Loïc Bruni fügt hinzu: «Es ist ein sehr gutes Wochenende für uns. Es war ein guter Test für das neue Format mit zwei Rennläufen. Es ist eine ziemlich einfache Strecke, die physisch gut funktioniert. Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Ich war das ganze Wochenende im Kampf um den Sieg dabei, und das ist wirklich cool. Es war ein produktiver Winter, denke ich. Wir werden jetzt an den Details arbeiten und einige Fehler ausmerzen, die ich heute gemacht habe. Danke Lenzerheide für das tolle Publikum und das tolle Wetter. Wir hatten eine tolle Stimmung im Team. Wir haben den ersten, dritten und fünften Platz belegt, es gibt also nichts zu Beklagen.»