Plötzlich ein Star: Das bedeutet Fabio Pünteners Erfolg für seinen Teamchef
Fabio Püntener schreibt gerade das Märchen der laufenden Cross-Country-Saison. Im Frühling erfährt er, dass das Team, bei dem er unter Vertrag steht, ein Luftschloss ohne Finanzierung war. Seine vorherige Equipe, das Biketeam Solothurn, nimmt ihn in der Not wieder auf. Und dann setzt der Urner, der in den Saisons zuvor wegen gesundheitlicher Probleme kurz vor dem Rücktritt stand, zu einem Steigerungslauf an: Mit dem Rängen 20, 8, 5, 3 und nochmals 3 liegt er aktuell auf Platz 5 der Gesamtwertung.
Erzähl mal kurz, wie das ablief, als du Fabio Püntener wieder in dein Team aufgenommen hast!
Am Samstagmorgen kam Fabios Trainer vorbei und sagte, dass Fabios neues Team nicht zustande komme und ob ich ihm helfen könne. Ich habe meinen Mech geschickt, Fabios Bike, das wir noch im Keller hatten, wieder hervorzuholen und bereit zu machen. Unterdessen setzte ich einen Vertrag auf. Ein anderes Team, welches am Montag nach Südafrika flog, nahm sein Bike mit, Fabio war dort im Trainingslager. Er war heilfroh, sein altes BMC wieder zu haben. Am Sonntagmorgen war der Vertrag unterschrieben und ich meldete ihn Swiss Cycling und der UCI als Fahrer unseres Teams an, am Montagnachmittag war alles unter Dach und Fach
Warum die Eile?
Es gibt Fristen bis zu denen man Fahrer für ein Team akkreditieren lassen kann.
Thomas Litscher und Ramona Forchini, die ebenfalls bei dem imaginären Team unter Vertrag standen, haben ihre neuen Verträge erst einen Monat später unterschrieben.
Da gab es wohl Sonderregelungen. Mein Stand des Wissens Mitte Februar war, dass wir sofort handeln müssen und das haben wir getan.
Das Biketeam Solothurn ist ein Ausbildungsteam. Was bedeutet das?
Ich habe seit 30 Jahren neben meinem Bike Shop, dem Tropical Bike & Fun Shop, das Tropical MTB Racing Team. Dort bilden wir Kinder und Jugendliche von 5 bis 16 Jahren aus. Das Biketeam Solothurn habe ich gegründet, um Fahrer auch danach unterstützen zu können, wenn nötig auch noch in ihren ersten Elite-Saisons. Diverse Weltcup-Profis haben wir im Juniorenalter oder als U23-Fahrer ausgebildet: Vital Albin, Luca Schätti, Luke Wiedmann, Joel Roth früher Marielle Saner und Nathalie Schneitter. Fahrer von uns haben EM-Titel und WM-Medaillen gewonnen.
Wie sieht eure Teambasis an den Weltcup-Rennen aus?
Bis letztes Jahr waren wir im Paddock mit Bus und Zelt präsent. Dann sind die Preise explodiert. Als kleines Team hätten wir 30 Franken pro Quadratmeter für einen Platz weit ab vom Zentrum bezahlen müssen. Da ich aber seit vielen Jahren an den Weltcups bin, weiss ich, welche Unterkünfte nah an der Strecke liegen. Dort haben wir jetzt sogar alles an einem Ort.
Wie viele Betreuer kümmern sich um euren Top-Fahrer?
Das sind die gleichen, welche sich auch um unsere anderen Fahrer kümmern, inklusive Fiona Schibler, welche bereits in ihrer zweiten U23-Saison das Weltcup-Rennen in Leogang gewonnen hat. Jonas Baumann, unser Mech, kümmert sich um die Bikes, ich organisiere ich alles rundherum. Während der Rennen sind wir in der Tech- & Feedzone im Einsatz. Meine Frau kocht, begleitet die Fahrer zum Start und Siegerehrungen, macht Fotos, wenn unser Fotograf nicht dabei ist.
Physiotherapie gibts bei euch auf dem Rennplatz nicht?
Wir haben einen Physio, zu dem unsere Teammitglieder gehen können. Vereinzelt kommt der auch an die Rennen mit, aber normalerweise haben wir an den Wettkämpfen keinen.
Welche Konsequenzen hat es für euch, dass Fabio Püntener jetzt plötzlich zur Weltspitze gehört?
Auf einmal haben wir haufenweise Presseanfragen, werden um Pressebilder gebeten, die Sponsoren wollen, dass wir Autogrammkarten verteilen. Seit diesem Wochenende haben wir einen Youtube-Channel. Im Hintergrund habe ich eine Person, die jetzt Dossiers anfertigt, damit wir als Team einen Schritt weitergehen können.
Was meinst du damit?
Eigentlich hatte ich vor, diese Saison etwas kürzer zu treten, da wir letztes Jahr einen Verlust eingefahren haben, den ich mich meinem persönlichen Vermögen trage. Dann kam Fabio, und es war klar, dass wir uns noch mehr strecken müssen. Die Aufmerksamkeit, die wir jetzt erhalten, macht uns auch für Sponsoren interessanter. Mein Ziel ist, dass wir uns mit Fabio und Fiona richtig professionell aufstellen können für die nächsten Jahre bis zu den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles.
Erhaltet ihr Angebote für Fabio Püntener?
Es ist ja nicht wie im Fussball, wo wir eine Ablösesumme kassieren könnten. Wäre das so, wären wir reich, mit all den Fahrerinnen und Fahrern, die schon bei uns begonnen haben. Nur ein Beispiel: Fiona ist als Neunjährige in unser Jugend-Team eingetreten. Weil ich die Leute hinter den grossen Schweizer Teams kenne, reden wir natürlich auch über unsere Fahrer. Die sagen es mir auch direkt, wenn sie sich für einen von uns interessieren. Andere machen es eher hinter dem Rücken und gehen die Fahrer direkt an. Es sind etliche Teams hinter Fabio her.
Wird Fabio Püntener nächste Saison noch für das Biketeam Solothurn Weltcup-Rennen fahren?
Ich wünsche es mir, denn wir harmonieren sehr gut. Er hat uns letztes Jahr schweren Herzens verlassen und auch wir haben ihn ungern ziehen lassen. Die meisten Ausbildungsteams haben Fahrer bis Ende U23, es ist aber so, dass nicht alle in diesem Alter den grossen Schritt gemacht haben, danach kein Team finden und in der Versenkung Verschwinden. Unser System sieht vor, dass wir unseren Athleten mehr Zeit geben. Am Beispiel von Fabio hat sich dies bewährt. Um Fabio halten zu können müssen wir ihm mehr bezahlen und eine umfassendere Betreuung bieten können, das ist klar. Das meine ich mit einen Schritt weitergehen.
Wie viel mehr verdienen die anderen Fahrer im Ranglisten-Bereich Fabio Pünteners?
Ich weiss es nicht, aber es ist sicher viel mehr. Unser Budget pro Saison beträgt 120’000 Franken, Material-Sponsoring nicht eingerechnet. Die grossen Teams haben locker das Zehnfache davon zur Verfügung. Wir beweisen aktuell, dass man auch mit weniger Erfolg haben kann.
Müsst ihr Fabio Püntener Erfolgsprämien bezahlen, sodass es für euch noch teurer wird?
Nein, das haben wir nicht vereinbart. Und leider für ihn sind auch die Preisgelder der UCI mager. Jedoch hat unser Hauptsponsor viel Spass an der Sache und hat für Fabio und Fiona eine Prämie in Aussicht gestellt.
Bringt euch der Erfolg Pünteners unter dem Strich etwas oder ist es nur mehr Aufwand?
Der Rennsport ist meine Leidenschaft, in die ich seit 30 Jahren investiere. Darum bringt es mir vor allem eine riesige Genugtuung, wenn ein Fahrer, den wir jahrelang aufgebaut haben, so grosse Erfolge feiert. Ansonsten bringt es uns Aufmerksamkeit, aber die kann man nicht essen und auch nicht damit in der Welt herumreisen. Darum will ich den Erfolg unserer zwei stärksten Fahrer nutzen, um das Team auf eine grössere finanzielle Basis zu stellen.
Die Wahrscheinlichkeit ist trotzdem hoch, dass Püntener euch verlässt, für ein Team, das ihm mehr bezahlt.
Das ist so. Aber um Erfolg zu haben, muss sich ein Fahrer auch wohl fühlen in einem Team. Viele sind als grosse Talente zu einem Top Team gegangen, haben sich nicht durchgesetzt und sind in der Versenkung verschwunden.
Du sagst aber selber, dass ihr ausbauen müsst, um mit einem Fahrer vom Kaliber Fabio Pünteners weiterzumachen. Was fehlt euch?
Wir brauchen Personal, das wir auch bezahlen können. Von Val di Sole kamen meine Frau, unser Mech und ich am Montag um 1.30 Uhr nach Hause. Am Montag mussten wir Diverses aufräumen und aufarbeiten, dabei musste ich aber auch in meinem Bikeshop in Solothurn arbeiten. Da brauchen wir Entlastung. Zusätzlich brauchen wir jemanden, der sportliche Analysen macht und uns so hilft, besser zu werden. Was ich aber auf keinen Fall will, ist das Team unnötig aufblasen. Wir wollen klein aber fein bleiben und all unser Herzblut reinstecken. Damit können wir unseren Fahrern den Weg zum Erfolg ebnen.
Was, wenn es mit dem grossen Sponsor nicht klappt?
Szenario 1 Wir finden den grossen Sponsor und gehen mit Fabio und Fiona einen Schritt weiter. Szenario 2 ist: Wir machen so weiter wie bisher, wobei klar ist, dass das auf Dauer nicht geht. Ich kann nicht ewig mehr Geld und Energie reinstecken als zurückkommt.
Bleibt noch Szenario 3.
Das wäre, das Biketeam Solothurn einzustampfen und nur noch das Kinder- und Jugend Team des Tropical Bike Shops zu betreiben. Aber das werde ich kaum übers Herz bringen.
Was hast du heute noch vor?
In einer halben Stunde beginnt das Kinder-Bike-Training für die Fünf- bis Zehnjährigen, das ich leite. Auch das eine grosse Leidenschaft von mir.
Das Gespräch fand am Montag nach den Weltcup-Rennen in Val di Sole statt.