Rosskur bei der Marke Bold mit ungewisser Zukunft
Im Jahr 2019 hat Scott die Schweizer Startup-Marke übernommen und als Highend-Sparte in den Konzern integriert. Gleichzeitig adaptierte Scott die Technologie des innenverlegten Federbeins in seine Modelle. Außer dem Downhill-Boliden basieren mittlerweile alle vollgefederten Mountainbikes der Marke Scott auf dem Bold-Patent.
Gemäß dem Bieler Tagblatt hat Scott in einem Schreiben seine Fachhändler über den Entscheid informiert: «Wir möchten Sie über eine wichtige strategische Entscheidung bezüglich Bold Cycles informieren. Scott Sports hat beschlossen, mit sofortiger Wirkung alle Investitionen und Neuentwicklungen rund um die Marke Bold Cycles einzustellen. Angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Lage in der Fahrradindustrie und der viel zu hohen Lagerbestände wurde es als äußerst wichtig erachtet, die Anzahl der derzeit verfügbaren Fahrräder schnell zu reduzieren.»
Für die Saison 2024 und 2025 wird Bold Cycles keine neuen Modelle auf den Markt bringen, sondern sich auf eine Carryover-Kollektion konzentrieren, um den hohen Lagerbestand zu stabilisieren. Dies habe gemäss Scott keine Auswirkungen weder auf den Kundendienst noch auf Garantie- und Kundendienstanfragen. Das heisst, die Marke Bold wird dem Markt unvermindert erhalten bleiben mit dem Aktuellen Portfolio rund um die Modelle Linkin und Unplugged. «Während wir gemeinsam daran arbeiten, die Lagerbestände kurzfristig zu reduzieren, werden wir uns weiterhin Gedanken darüber machen, wie wir die Marke Bold Cycles und ihr Produktangebot in Zukunft weiterentwickeln können», erklärt Scott die Situation.
Die heikle Situation von Bold ist quasi ein Post-Covid-Syndrom. Nach dem Höhenflug während der Pandemie schüttelt es die Fahrradbranche unterdessen ordentlich durch. Nach Lieferengpässen sind es nun die übervollen Lager, die viele Produzenten zu harten Maßnahmen zwingen. Die einschneidenden Massnahmen bei Bold sind vor diesem Hintergrund zu verstehen.
Erfrischendes Startup mit ungünstigem Timing
Bold sorgte als Startup im Jahr 2015 in der Mountainbike-Welt für ordentlich Aufsehen. Das ins Rahmeninnere verlegte Federbein war geradezu revolutionär in einer Zeit, in der sich viele Mountainbike-Designs immer ähnlicher sahen. Die Marke Bold konnte insbesondere im Heimatland Schweiz gut Fuß fassen, erzielte über die Landesgrenzen hinweg aber nur geringe Erfolge. Das war ein Grund, warum die Firma um Vincenz Droux vier Jahre nach der Lancierung unter das Dach von Scott wechselte. Scott wiederum erkannte in der Technik der integrierten Hinterradfederung eine Perspektive, sich im austauschbaren Mountainbike-Markt eigenständig zu positionieren. Es war indes nicht die Absicht von Scott, sich einzig das Patent einzuverleiben, sondern Bold als Highend-Marke weiterzuentwickeln. Bold sollte zu dem werden, was Porsche innerhalb des VW-Konzerns geschafft hat.
Bei der Bold-Übernahme durch Scott konnte noch niemand ahnen, welche Turbulenzen unmittelbar bevorstanden. Es ist so gesehen das Schicksal von Bold, sich (nachträglich gesehen) zu einem ungünstigen Zeitpunkt in eine größere Struktur eingebunden zu haben. Und es ist der vorhersehbare und nachvollziehbare Weg von Scott, in der aktuellen Lage ungewisse Geschäftsbereichen zu sanieren.
News-Quelle: MTB-News, Bieler Tagblatt