Graubünden testet die Bike-Reservationspflicht auf Postautos
Die Postauto-Organisation kündigt die Reservationspflicht als einen positiven Schritt an: «Wer bei der Postauto-Fahrt sein Velo mitnimmt, soll auch einen garantierten Platz dafür haben.» Aus diesem Grund ist der freie Fahrradtransport auf den Linien Chur–Laax, Chur–Lenzerheide und Lenzerheide–Davos ab dem 3. Juni nicht mehr möglich. Die Reservation kann via SBB-App oder über den SBB-Webshop vorgenommen werden. Sie kostet zwei Franken und kann bis kurz vor der Abfahrt vorgenommen werden sofern freie Plätze verfügbar sind. Die Basis liegt dabei das Reservationssystem der SBB. Der Ausflug würde damit entspannter, und es entstünden an den Haltestellen kein Gerangel um freie Veloplätze am Postauto, vermeldet die Postauto-Organisation.
Es handelt es sich dabei um ein Pilotprojekt. Im Kanton Wallis existiert bereits seit einigen Jahren das Reservations-System «Resabike». Macht Postauto in Graubünden mit dem Testbetrieb einer Veloplatz-Reservation via SBB-App und im SBB-Webshop gute Erfahrungen, so soll dieses System ab dem Jahr 2025 in ganz Graubünden sowie im Wallis und im Berner Oberland eingeführt werden.
Die neue Reservationspflicht besteht zwischen 3. Juni und dem 20. Oktober 2024 auf folgenden Linien:
- Chur–Flims–Laax–Falera (Linie 90.081)
- Chur–Lenzerheide (90.182)
- Lenzerheide–Davos (90.183)
- Lenzerheide–Zorten (90.184)
Kommentar: Rosafarbener Rückschritt und Flucht in die Ideenlosigkeit
Postauto mag diesen Schritt durch ihre rosa PR-Brille schönfärberisch als Gewinn für die Kunden darstellen. In Tat und Wahrheit ist es jedoch eine erhebliche Einbusse für den Kanton Graubünden, den Musterknaben in Sachen Mountainbike-Tourismus. Dass eine Reservationspflicht ein erheblicher Rückschritt im Kundenservice ist, beweisen die Bundesbahnen SBB. Seit sie auf vielen Linien selbiges eingeführt haben, wurden die Bike-Trips nicht «entspannter», im Gegenteil. Vor allem die Rückreise wird in der Regel zum Spießrutenlauf, weil Mountainbiker nicht schon weit im Voraus bestimmen können, wann sie von der Tour zurückkehren.
Seit der Prozess digitalisiert ist und kurzfristige Reservierungen besser möglich sind, hat sich die Lage zwar verbessert. Doch viele Biker tätigen heute gleich mehrere Reservierungen auf unterschiedlichen Verbindungen, um die Rückfahrt abzusichern. Bei den No-Shows bleibt dann jeweils der Bike-Platz frei, den jemand anderes hätte einnehmen können. Und wehe, man kommt als Familie auf die Idee, per Bike und Zug zu verreisen – wenn die reservierten Plätze dann über die ganze Zugkomposition verteilt sind. Oder man will als ahnungsloser Tourist mitsamt Bike zusteigen, dann ist man der Willkür der Zugbegleiter ausgesetzt. Diese Szenarien werden nun auch die Postauto-Kunden in Graubünden erfahren.
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Es ist für die Mountainbiker in Graubünden ein Rückschritt. Ein Rückschritt notabene eines einst innovativen Pioniers, der sich nun in den profanen Niederungen einer Reservationspflicht wiederfindet. Es ist eine offene Tatsache, dass in Mountainbike-Kantonen wie Graubünden oder dem Wallis eine Transportkapazität von fünf (Graubünden) oder sechs (Wallis) Velohaken pro Postauto weit entfernt von der erfreulichen und angestrebten Nachfrage liegt. Der öffentliche Verkehr ist längst ein Nadelöhr für die touristische Entwicklung. Er selber sieht sich mit solchem Vorgehen anscheindend aber als Heilsbringer der Kundenzufriedenheit.
Im Jahr 2021 hat Ride in einem Blog-Beitrag bereits darauf hingewiesen, dass der Mountainbike-Tourismus unter anderem aufgrund solcher Mini-Kapazitäten nicht mehr wachsen kann. Wenn sich die Sportart weiterentwickeln soll, braucht es neue Ideen und Visionen im Umgang mit dem Öffentlichen Verkehr. Die Einführung einer Reservationspflicht hingegen ist die Flucht in die Ideenlosigkeit.