Die Fahrradbranche ist weiter im Sinkflug
An der Börse würde man bei solchen Zahlen von einem Crash reden. Man braucht es nicht schönzureden: Die Fahrradbranche befindet sich in der grössten Krise ihrer Geschichte. Dies unterstreichen die schweizer Marktzahlen 2024, die vom Branchenverband Velosuisse veröffentlicht wurden.
Besonders hart trifft es das Flaggschiff der Fahrradindustrie, die Mountainbikes. Nur einmal (Jahr 2013; 113’184 Stück) seit dem Start der Velosuisse-Aufzeichnungen gingen in der Schweiz so wenige Mountainbikes über den Ladentisch wie im Jahr 2024. Genauer gesagt waren es 113’862 Stück. Das ist im Vergleich zum Corona-Peak ein verheerender Rückgang um 38 Prozent. Betroffen vom Rückgang waren sowohl Bio-Bikes (-17%) als auch E-Bikes (-12%). Dieser Rückgang erfolgt notabene bei weiterhin übervollen Lagern – deren Abbau damit noch länger dauert.
Analogie am Gesamtmarkt
Auf dem gesamten Fahrradmarkt zeigt sich ein ähnliches Bild wie beim Mountainbike-Segment. Dieser war im Jahr 2024 im Vergleich zum bereits misslichen Vorjahr nochmals um 14 Prozent im Minus. Auch hier sind die E-Bikes mit einem Rückgang von 12 Prozent etwas geringfügiger betroffen. Im Gegensatz zu den Mountainbikes weist der Gesamtmarkt kein Allzeittief aus. Allerdings: Seit 15 Jahren wurden nie mehr so wenige Fahrräder verkauft wie im Jahr 2024.
Konstanz bei der Segment-Verteilung
Unverändert zeigt sich der Fahrradmarkt bei der Segmentierung. Die absatzstärkste Abteilung ist unvermindert der Alltagsbereich mit fast hälftigem Marktanteil. Die Mountainbike-Abteilung liefert relativ stabil einen Anteil von gut einem Drittel und ist damit die deutlich stärkste Fraktion in der Sportabteilung. Rennrad und Gravel weisen beide einen Marktanteil von je 5 Prozent aus. Der aktuell viel thematisierte Gravel-Trend lässt sich in den Branchenzahlen nicht erkennen.
Warum und wie weiter?
Die Marktzahlen 2024 der Fahrradbranche sind nicht schön anzusehen. Nach dem extremen Wachstum in der Corona-Pandemie kämpft sie nun mit dem Kater nach der Party. Die Goldgräberstimmung ist einer angespannten Ernüchterung gewichen. Die Entwicklung der Marktzahlen könnte den Eindruck erwecken, dass die Branche im freien Fall ist. Fachleute gehen jedoch davon aus, dass die Talsohle im Jahr 2025 erreicht sein dürfte und sich das zerrüttete Verhältnis von Angebot und Nachfrage wieder normalisieren sollte. Langfristig weisen die Fachleute der Branche sogar ein hohes Potenzial zu, weil die emissionsarme Mobilität zu einem zentralen und globalen Faktor werden sollte.
Die Ursache der aktuellen Krise liegt in der Corona-Pandemie. In dieser Zeit wurden die Fahrradshops überrannt und die Lager faktisch leergekauft. Die daraus resultierende Produktionserhöhung kollidierte dann nach der Pandemie mit einer geringeren Nachfrage, was zu übervollen Lagern führte. Die negativen Seiten der Covid-Restriktionen zeigen sich in der Fahrradbranche nun wie ein Backlash.
Die vollständigen Marktdaten 2024 von Velosuisse: velosuisse.ch/news-statistik
Der Bullwhip-Effekt
Für die aktuelle Situation der Fahrradbranche gibt es einen Fachbegriff: den Bullwhip-Effekt. Wie bei einer Peitsche lösen die Endkunden eine Nachfrage aus, in diesem Fall während der Covid-Pandemie. Diese Nachfrage schaukelt sich hoch bis zum Fabrikanten. Das Resultat ist eine Überproduktion und stark zerrüttete Marktstrukturen.