Die Verheimlichung von Trails ist schizophren! | Ride MTB

Die Verheimlichung von Trails ist schizophren!

Trails verheimlichen – sinnvoll oder schizophren?

Ride-Autor Stefan Michel zeigt sich in einem Blog-Beitrag besorgt, dass Trails durch eine Veröffentlichung Schaden nehmen könnten. Thomas Giger nimmt in einer Replik Stellung und erklärt das Gegenteil: Mehr Mountainbiker bewirken eine bessere Infrastruktur. Die explizite Verheimlichung von Routen ist für ihn überheblich.

 
Es war der 16. Februar des Jahres 2000, als ein kleines Erdbeben den hiesigen Mountain­bike­sport erschütterte. Es war der Publikationstag der ersten «Singletrail Map». Ich hatte es damals gewagt, für Mountainbiker attraktive Single­trails in einer Landkarte zu markieren und diese in nicht unerheblicher Menge unter die Leute zu bringen. Das Erdbeben ging durch die Amts­stuben und brachte Förster, Wildhüter und Waldbesitzer auf die Palmen. Durch die Mountain­biker gingen die Wege kaputt, kritisierten sie. Das Wild werde gestört. Und der Nutzungs­konflikt mit den Wanderern spitze sich zu. Und jetzt kam da einer und lotste Massen dieser unge­wollten Mountain­biker auf die Trails.

Seit diesem 16. Februar ist eine Menge Wasser den Rhein hinabgeflossen und die Wogen in den Amtsstuben haben sich geglättet. Dafür weht unterdessen der gleiche Wind aus einer anderen Ecke: Heute sind es die Mountain­biker selber, die mit den exakt gleichen Argumenten auffahren, wenn wir in Ride neue Touren beschreiben, weitere Bände der Singletrail Books publizieren oder das Routennetz der Singletrail Map erweitern. Durch unsere Veröffentlichung gehen die Wege kaputt und der Nutzungs­konflikt mit den Wanderern spitze sich zu, heisst es dann. Unsere grössten Kritiker sind nicht mehr Förster, Natur­schützer oder Wanderer. Die härteste Kritik kommt mittler­weile aus den eigenen Reihen, der Wortlaut ist der gleiche.

Schizophren und überheblich

Ich erkenne in diesem Aufheulen schizophrene Züge. Für diese Mountainbiker sind die Mountainbiker selber die grösste Gefahr für den Mountain­bike­sport. Ausser sie selber natürlich. Will heissen: Wenn zwei das Gleiche tun, ist dies nicht dasselbe. Diese Denkhaltung erachte ich nicht nur als schizophren sondern als überheblich. Es ist ein bisschen wie im Strassenverkehr: Viele Autofahrer ärgern sich über den Stau ohne zu merken, dass sie ihn selber sind. Schuld sind immer die anderen.

Ich stelle die Vorwürfe aber keineswegs in Abrede. Eine Routen-Publikation kann zu den erwähnten Problemen führen. Doch jetzt mal den Ball flach halten: Nach der Veröffent­lichung in Ride kommt es nicht gleich zu einem Pilgerzug. Wenn danach an Wochen­enden dreissig bis vierzig zusätzliche Mountainbiker pro Tag eine Route in Angriff nehmen, dann sind dies erträgliche Dimensionen.

Illusorisch im Zeitalter des Internets

Ich kann die Kritik an Routenveröffent­lichungen nachvollziehen, doch eigentlich ist sie realitätsfremd. Im Zeitalter des Internets ist es geradezu illusorisch, attraktive Trails verheimlichen zu wollen. Das ist aber auch gar nicht nötig. Denn seit der Erstpublikation der Singletrail Map sind keine dieser Befürchtungen eingetroffen. Die Singletrails, auf denen ich in diesen zwei Jahrzehnten unterwegs bin, sind zwischenzeitlich nicht schlechter, sondern besser geworden. Das betrifft nicht nur Tourismus­regionen wie das Oberengadin oder Lugano, auch in urbanen Regionen wie in Zürich sind die Trails heute in besserem Zustand. Der Grund: Je mehr Mountainbiker in einer Region unterwegs sind, desto mehr wird in die Trails und in intelligente Nutzungskonzepte investiert. Will heissen: Die Publikation von Routen führt nicht zu Schäden und Verboten, sondern zu hoch­wertigerer Infrastruktur.

 

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