Fairtrail-Kampagnen: viel warme Luft mit wenig Wirkung | Ride MTB

Fairtrail-Kampagnen: viel warme Luft mit wenig Wirkung

Fairtrail Haarföhn

Verhaltens-Kampagnen wie Fairtrail sind im Mountainbikesport nicht zu übersehen. Sie sind gut gemeint, kommen aber als lehrmeisterhafte Selbstverständlichkeiten daher. Solche Kampagnen kosten Millionen, ihre Wirkung hingegen ist fraglich. Eine Analyse von Thomas Giger.

Die Botschaft hinter Sensibilisierungs-Kampagnen wie Fairtrail ist so löblich wie unverfänglich: Seid nett miteinander. Das gegenseitige Einvernehmen am Berg und auf dem Trail ist elementar für die Weiterentwicklung des Mountainbikesports. Darüber herrscht Einigkeit.

Lehrmeisterhafte Selbstverständlichkeiten

Zur Förderung des Einvernehmens setzt man bei Fairtrail auf die Lehrmeister-Karte und rückt ein Dutzend Verhaltensregeln ins Zentrum, wie man sich als Mountainbiker zu verhalten haben. Die Regeln fallen dann aber geradezu lapidar aus: Man soll Weidezäune schliessen oder den Abfall mitnehmen. Andere Regeln haben mit der Koexistenz nichts zu tun wie die Aufforderung, die Tour gewissenhaft zu planen, die Ausrüstung den Gegebenheiten anzupassen oder für Notfälle gerüstet zu sein. Allesamt sind das triviale Selbstverständlichkeiten. Das eigentlich lobenswerte Lied von Fairtrail wird auf diese Weise zum oberflächlichen Abgesang gutmeinender und besserwissenden Lehrmeistern.

Natürlich steht im Fairtrail-Kodex auch der Passus, dass man als Mountainbiker den Wanderern den Vortritt lassen soll. Auch das eine Selbstverständlichkeit, die aber mit der Realität wenig zu tun hat. Denn am Berg stehen die Wanderer fast durchs Band stets zur Seite, wenn Mountainbiker in Sichtweite sind. Der Schwächere macht dem Stärkeren vorauseilend Platz. Wie soll man als Mountainbiker einem Wanderer den Vortritt lassen, der längst in den Büschen steht? Der Vortritts-Passus ist gutgemeinte Makulatur und legt offen, wie realitätsfern und belanglos die Muster solcher Kampagnen sind.

Es gibt auch noch einen anderen Aspekt, den erhofften Sensibilisierungseffekt solcher Kampagnen grundsätzlich zu hinterfragen. Denn diese stossen primär bei jenen Mountainbikern auf offene Ohren, die ohnehin schon vorbildlich unterwegs sind. Doch den «Problem-Bikern» gehen die Fairtrail-Botschaften am Arsch vorbei. Will heissen: Ausser Spesen nichts gewesen. A propos Spesen: Der Kanton Graubünden lässt sich die Fairtrail-Initiative satte 1.45 Millionen Franken kosten.

Es geht auch anders

Vor diesem Hintergrund erinnern die gutgemeinten Fairtrail-Kampagnen an einen Haarföhn: viel warme Luft bei hohen Betriebskosten. Das ist umso denkwürdiger, als dass das gegenseitige Einvernehmen für die Entwicklung des Mountainbikesports ein zentrales Element ist. Dass dies gefördert werden muss, ist enorm wichtig. Bloss ist gut gemeint nicht auch gut gemacht. 

Es gäbe relevantere und wirkungsvollere Massnahmen. Dazu zählt beispielsweise die originelle Mikroaktion «Zäme Happy» von Alec Wohlgroth. Oder die Tipps, die Ride in der soeben erschienenen Printausgabe N°94 auflistet. Diese führen zu deutlich grösserer Entspannung auf dem Trail als die Fairtrail-Gebote. Den Alternativ-Knigge gibts da auf Seite 22. (Printausgabe hier herunterladen: ride-mtb.com/download)

Das Effektivste an der Graubündner Fairtrail-Kampagne ist übrigens der Botschafter Nino Schurter. Wenn einer wie er das gegenseitige Verständnis in den Vordergrund rückt, dann verstehen dies auch die «Problem-Biker». Der Mountainbikesport braucht in dieser Sache Vorbilder und keine Lehrmeister.

 

Weitere Blog-Beiträge von Thomas Giger

ride-mtb.com/blog/giger


Weitere News zu diesem Artikel